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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
Autoren: Friedrich Glauser
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Winter… und kalt sag ich dir! Wir haben manchmal das Eis aufbrechen müssen, um die Maulesel zu tränken. Ja, also der Chef ruft mich. Ruft mich noch einmal, ich soll doch kommen. Eine gute Nachricht. Ich krieche aus meinem Zelt heraus, und weißt du, was der Chef mir sagt?« Die ganze Freude dieses Augenblicks zitterte in Lös' Stimme, auch der Kellner hatte sich vorgebeugt und lauschte interessiert. »Ja, der Chef sagte also, ich käme am nächsten Tag nach Oran. Mit den Camions bis Colomb-Béchar und von da mit dem Zug. ›Und schau, daß du nicht mehr zurückkommst‹, sagte der Chef. In Oran ging's dann gut. Der Experte war ein Zivilist, kein Militärarzt, untersuchte mein Herz, fand es bedenklich. Dann mußte ich noch vor einer Kommission dicker Leute erscheinen, Colonels, was weiß ich. Die haben mich nur angeschaut. Und dann hieß es: Reform No. 1 ohne Pension. Und jetzt steh ich da.«
    Der Kaffee war kalt geworden, aber das schadete nichts, er war auch so noch viel besser als in der Legion. War die Tasse daran schuld? Lös griff an seine Brust. Ja, die alte Brieftasche war immer noch da. Sie enthielt noch die aus der Verpflegung geretteten zweihundert Franken; fünfzig waren mit der Zeit draufgegangen und zwanzig hat der Chef behalten. »Das bist du mir schon schuldig«, hatte er damals gemeint, »denn ohne mich hätte dich der Alte sicher nach Fez geschickt.« Das stimmte nicht ganz. Denn der Capitaine war die letzten Tage vor seiner Abreise rührend gewesen. Er hatte Lös nach Rich geschickt, ins Lazarett, er solle sich dort ausruhen, und dann sei es besser, Lös sei nicht da, wenn der Neue komme… Diesen Neuen haßte Capitaine Chabert, das merkte man, und später wurden die sonderbarsten Geschichten erzählt von der Übergabe der Kompagnie. Der Neue mußte alles alleine ansehen, Chabert blieb in seinem Turmgemach, erschien nicht einmal zum Essen. Samotadji mußte es ihm bringen.
    Lös stand auf. Der freundliche Kellner wollte sich nicht bezahlen lassen. »Wir sind doch Kameraden, nom de dieu, ich kann dir schon einen Kaffee zahlen«, meinte er. »Du hast sicher nicht viel. Und wenn du einmal nicht weißt was anfangen, so komm nur wieder hierher, am besten am Morgen, ich werd' dir schon helfen. Frag nach Jean.«
    Ein Menschenstrom begann die Straßen zu überschwemmen. Mädchen in hellen Kleidern liefen vorbei, Lös sah sie an, es war so sonderbar, wieder saubere Frauen zu sehen. Ein bißchen blaß waren sie, aber sie lachten doch, ein ganz anderes Lachen als Zeno. Wie schnell die Vergangenheit die Dinge unwahr machte. Zeno! Er hörte plötzlich ihr Lachen und drehte sich um. Ein Mädchen war es, das wohl Lös' Schuhe sehr komisch fand. Mag sie doch, dachte er, und lächelte zurück. Das schien dem Mädchen zu gefallen, sie strich an ihm vorbei. »Auf dem Hund?« fragte sie mit rauher Stimme, die an die Stimme Zenos erinnerte. Lös nickte ernsthaft. »Armer Kerl«, sagte die Kleine und lief weiter.
    Ja Zeno! Er hatte Zeno verkauft, für eine Flasche Anisette und wem? Pierrard. Er hatte ihr die Sache erklärt. »Ich kann nichts mehr für dich tun. Jetzt geh ich ins Lazarett nach Rich, und wenn ich wiederkomme, muß ich Dienst machen in der Kompagnie. Aber mein Nachfolger ist auch ein guter Kerl, er wird für dich sorgen.« Zeno war traurig gewesen zuerst; aber dann hatte sie gelacht (wie das Mädchen vorhin), dies Lachen war Pierrard teuer zu stehen gekommen. Denn Zeno hatte ihn gequält, ihn gezwungen, ihr Kleider zu kaufen und Schuhe und Strümpfe, auch der Spaniol hatte bei diesem Geschäft gut verdient. Er war es, der die Kleider (europäische Kleider!) von Fez hatte kommen lassen. Lös hatte Zeno gesehen in ihrer neuen Tracht, als er von Rich zurückgekommen war. Ein langer Rock, der ihr bis über die Knöchel fiel, eine Bluse mit Spitzen und Rüschen. Zeno sah wirklich sehr komisch aus. Aber mit Pierrard war es nicht lange gegangen. Der Chef paßte auf. Eines Abends wurde Pierrard in die Zelle geführt. Das war für ihn das Ende. Pierrard war tapferer als Lös, er führte kein Theater auf; auch waren die Zeiten anders, der neue Capitaine machte nicht viel Federlesens. Nach kaum vierzehn Tagen kam Pierrard mit einem Transport von vier Mann nach Fez vor Kriegsgericht – fünf Jahre Travaux Publics.
    Lös zog tief die Luft ein; trotz des Staubes, der sie durchsetzte, schmeckte sie kühl, wie im Kern erfrischt vom Frühling; er steckte die Fäuste tiefer in die Hosentaschen und ließ sich gerne von
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