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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
Autoren: Friedrich Glauser
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der eiligen Menge weiterschieben, die sich um ihn drängte und an ihm vorbeihastete. Er setzte sich auf eine Bank und starrte auf das Wasser des Flusses, das wie ein Spiegel blendete – und schloß die Augen.
    Das Wohlgefühl, in der warmen (nicht heißen) Sonne zu sitzen, verschwand allmählich. Zuerst tauchte das Lazarett in Rich auf, wie er es zuerst gesehen hatte, von einem Weinfaß, auf dem er saß. Ein Camion hatte ihn mit seinem geschwollenen Arm nach Rich mitgenommen. Es war schwierig gewesen, sich auf diesem wackligen Faß zu halten, denn er hatte ja nur einen Arm frei. Lange Morgen hatte er dann auf der Terrasse des Lazaretts gesessen, in der Sonne, und hatte seinen Arm bescheinen lassen, der nach und nach heilte. Aber etwas anderes war noch in Rich geschehen, und seine Gedanken wichen immer aus, sobald sie an die Grenze dieses Erlebnisses gelangten. Auch jetzt riß er wieder angstvoll die Augen auf. Immer noch warf der flüssige Spiegel des Flusses ein scharfes Blinken in seine Augen; als Lös die Lider wieder senkte, sah er einen andern, einen kleinen Spiegel. Todd hielt ihn, betrachtete darin seine kümmerlichen Barthärchen und flüsterte aufgeregt: »Ich muß mich rasieren. Schilasky hat gesagt, ich soll mich rasieren!« Das war zwei Tage vor seinem Tod gewesen.
    Lös seufzte auf, wie unter einem Alpdruck. Ja, damals hatte er viel zu tragen gehabt. Erst Türk, den die anderen gequält hatten; und dann war auch Todd gestorben. Wundbrand, Gangräne hatte Bergeret gesagt und die Achseln gezuckt. Todd hatte arge Schmerzen und Lös hatte die Nächte bei ihm gewacht. Es war nicht viel gesprochen worden. Nur: »Liegst du gut?« »Ja, danke.« »Brauchst du nichts?« »Nein danke.« Sie waren beide ein wenig hergenommen. Nur einmal hatte Todd gesagt: »Siehst du jetzt, mein Name hat mir doch Unglück gebracht.« »Ach was!« hatte Lös geantwortet, »du wirst doch wieder gesund und gehst auf Reform mit voller Pension. Mit dem Geld kannst du in Wien herrlich und in Freuden leben.« Damals hatte sich Lös sehr über sich selbst geärgert. Es kam ihm vor, als hätte er nur Gemeinplätze zur Verfügung, sein Verstand wollte einfach keine anderen Sätze hergeben als solche, die Generationen schon in gleichen Augenblicken gebraucht hatten. Tröstende Worte, die doch gar keinen Trost enthielten; Todd war übrigens nie sentimental geworden. Ein einziges Mal hatte er Tränen in den Augen gehabt, damals, als er seine Wangen geschabt hatte… »Ich denke, jetzt werde ich Schilasky doch gefallen«, murmelte er.
    Lös sprang auf. Seine Hände auf dem Grunde der Taschen waren unangenehm feucht, und auch auf seiner Stirne glänzten kleine Schweißtropfen. Nein, er wollte nicht mehr an all diese Dinge denken, die waren vorbei, jetzt galt es sich durchzuschlagen, und daran wollte er denken, aber nicht an sterbende Freunde. Doch eine unsichtbare und sanfte Hand schien ihn auf die Bank zurückzudrängen, eine leichte Hand: wie oft war Todds Hand auf seinem Ärmel gelegen, und so war er auch plötzlich gestorben… »Hier«, sagte Lös laut, und strich über den groben Stoff.
    ›Wir haben uns doch kaum gekannt‹, dachte er. ›Einmal nur wirklich zusammen gesprochen. Warum hab ich ihn so gern gehabt? Weil er aus Wien war? Nein! – Wir haben uns einfach gern gehabt; ja, aber Schilasky hatte ihn auch gern, und doch war ich Todd näher, als der andere. Nicht einmal eifersüchtig war ich auf diesen Schilasky… ‹
    »So, so, wird hier gepennt«, sagte eine rauhe Stimme über Lös' Kopf. Vor der Bank stand ein breitschultriger Polizist, lächelte unter einem schöngeschwungenen Schnurrbart und nickte aufmunternd. »So. Kommt man aus den Kolonien; man sieht das an der Hautfarbe und an den Kleidern. Na, bleib nur sitzen. Ich will dich nicht stören. Wenn ich nicht Dienst hätte, gingen wir zusammen ein Glas trinken. Aber so… du verstehst?«
    Lös verstand vollkommen. Der Polizist grüßte, wahrhaftig mit der gleichen Bewegung, die auch der Chef bevorzugte. Ein Greifen nach dem Mützenschild mit gebogenen Fingern, dabei eine leichte Neigung des Oberkörpers, die überaus herzlich wirkte.
    »Die sind freundlich hier«, murmelte Lös, froh über die Ablenkung. Er stand auf und ging weiter. Die Straßen waren leerer geworden. Lös blieb vor Auslagen stehen. – Ich muß mir zu allererst einen Anzug kaufen und Schuhe, dachte er. Dann erinnerte er sich an Stefan, an den Abschied von ihm. »Wenn du nach Paris kommst«, hatte Stefan
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