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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
Autoren: Friedrich Glauser
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Der vierzehnte Juli
    Nur noch zwei Kilometer«, sagte der alte Kainz. »Du kannst schon den Turm vom Posten sehn… Jetzt! Schau! Dort, wo's blitzt, liegt das Zimmer vom Alten.«
    Er hielt sich am Steigbügel fest und keuchte, denn er war alt.
    »Wüllst net du jetzt reiten?« fragte Todd, während er sich den Schweiß aus den spärlichen Barthaaren wischte. – »Na, na!« Kainz schüttelte den vertrockneten Kopf und fuhr mit seinem Nastuch unter den Tropenhelm. Es war erst neun Uhr morgens, aber die Sonne brannte schon heiß. Die dritte Sektion der 2. Compagnie montée vom 3. Fremdenregiment hatte ein Detachement von zwanzig Mann, das aus Algerien zur Verstärkung gekommen war, von Atchana abgeholt. Die Truppe marschierte nach Gourrama zurück, einem kleinen Posten im südlichen Marokko.
    Grau war die Ebene und tiefe Gräben zerteilten sie. Die Ränder fielen steil ab, und es sah aus, als habe Hitze und Trockenheit die Erde auf weite Strecken gespalten. Aber im Winter flossen in den Spalten Bäche – herab von den Bergen aus rotem Stein, die fern in der Sonne flimmerten. Und im Osten, hinter ihnen, bauten sich die Schneegipfel des Hohen Atlas auf, weißblendend wie glühendes Silber, gegen den dunkelblauen Himmel.
    An der Spitze der Kolonne ritt Sergeant Hassa, ein Böhme mit falschen Augen, der in Colomb-Béchar das Kommando über die ›Neuen‹ übernommen hatte. Freiwillige für Marokko aus Saida, Le Kreider, Bel-Abbés. Hassa selbst kam mit zwei Korporalen und drei Mann aus Géryville. Neben Hassa ritt der Adjutant Cattaneo, Befehlshaber der dritten Sektion, ein Piemonteser, der im aufgedunsenen Gesicht einen graugesprenkelten Schnurrbart trug; seine Haut hatte der Schnaps blau gefärbt – außerdem war er ein Analphabet, und nur mit großer Mühe gelang es ihm, seinen Namen zu unterzeichnen. Aber stets fand er Freiwillige genug, die ihm seine Rapporte schrieben, denn er war gefürchtet ob seiner Grobheit. Wie viele Ungebildete, denen unerwartet Macht zuteil wird, liebte er es, belehrende Vorträge zu halten. Und er war froh, daß Sergeant Hassa ein aufmerksamer Zuhörer war.
    Adjutant Cattaneo erzählte von den Zuständen in der zweiten Compagnie montée. Capitaine Chabert führe sie, ein ruhiger, anständiger Mann, der jedoch nicht viel auf Disziplin halte. Mit den Unteroffizieren sei sein Benehmen manchmal unter jeder Kritik – unter jeder Kritik –, denn er gebe immer dem gemeinen Manne recht. Dann wurde die Stimme giftig, denn nun wurde Leutnant Lartigue durchgehechelt. Ein hocheleganter Herr sei dies – un moossiööö! – der sich viel mit Büchern beschäftige, ja, diese Bücher sogar lese! Und elegant sei dieser Herr Leutnant! Fünf weiße Uniformen besitze er und drei khakifarbene! Zum Zeitvertreib –, denn anders könne man wohl seine militärische Tätigkeit kaum nennen – befehlige er die Sektion der Maschinengewehre. Ein Herr, der den Größenwahn habe! Weiter sei über ihn wohl nichts zu sagen… Hassa nickte zu diesen Eröffnungen und sein Lächeln hatte die richtige Nuance der Untertänigkeit.
    Nun kam ein anderer Mann an die Reihe, der, obwohl Korporal, doch eine gewisse Rolle in der Kompagnie zu spielen schien.
    Lös heiße dieses Individuum, sagte der Fuhrmann aus dem Piemont –, denn dieses ehrliche Handwerk hatte Cattaneo betrieben, bevor er es zu einem kleinen Tyrannen in einem Söldnerheere gebracht hatte. Was diesen Korporal Lös angehe, so habe er vor zwei Monaten die Administration vom Sergeanten Sitnikoff übernommen. Und das Merkwürdige an dieser Verpflegung – an dieser Administration – sei, daß sie nicht eigentlich dem Kommandanten der Kompagnie, dem Capitaine Chabert, unterstehe, sondern dem Intendanzbüro in Bou-Denib. Bitter fuhr der Adjutant fort, sich über das Individuum Lös zu beklagen. Ihm, seinem Vorgesetzten –, denn es sei doch klar, daß dem Range nach ein Adjutant höher stünde als ein Korporal –, ihm also, seinem Adjutanten, habe dieser Lös den Morgenschnaps verweigert!… Und dabei lagerten in der Administration mindestens fünf Fäßlein zu je dreihundert Liter! Fünf Fäßlein!… Kartoffelschnaps!… Wie wohl tat es dem Adjutanten, seinen Grimm über diesen Administrationskorporal Lös auszuspucken! Und wie wohl taten ihm die Bestätigungen von einem Untergebenen! Sie hoben das Selbstbewußtsein, hoben es derart, daß Cattaneo seinen Wallach Trésor mit den Sporen kitzelte – das Roß griff aus und Hassas gemütliches Maultier folgte dem
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