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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
Autoren: Friedrich Glauser
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die Leutnant Lartigue nun hielt.

Der Frühling
    Die Eisentische auf dem Trottoir trugen weiße Tischtücher. Aber die Marquise, die gegen die Sonne ausgespannt war, warf ein gelbes Licht darauf, das angenehm hell und beruhigend wirkte. Der Kellner hatte in den Kolonien Dienst getan und bediente Lös mit kameradschaftlicher Freundlichkeit; der Anzug, den Lös trug, schien ihn nicht zu stören. Es war ein sogenannter ›Habit Clemenceau‹ und in ganz Frankreich als die Uniform der aus dem Dienste Entlassenen bekannt: der Rock war eine Art Litewka, aus grauem Stoff und wie Röhren umgaben die Hosen die Beine. Lös betrachtete seine Schuhe; es waren dieselben, die er noch in Gourrama getragen hatte, an den Spitzen hielt das Leder nicht mehr fest, an der Sohle und bei Regenwetter bekam man nasse Füße. Das war alles, was man ihm für drei Jahre Dienstzeit gegeben hatte, mit einem Paar zerrissenen Unterhosen und einem ebenfalls zerrissenen Hemd. Langweilig war nur, daß die Füße nicht heilen wollten: er hatte sie sich auf den letzten Märschen wundgelaufen.
    Wie hellblau der Himmel war zwischen den Fransen der Marquise! Ganz nahe dehnte sich die Seine in ihrem Bett (›sie hat es gut, wenigstens hat sie ein Bett‹). Aber der Kaffee, den der Kellner soeben brachte, verscheuchte die aufsteigende Traurigkeit und die Angst vor der Zukunft. Braungebackene, warme Brötchen standen auf dem Tisch.
    Es war noch früh am Tage. – Das Gras in den Anlagen am Fluß hatte wahrhaftig Tautropfen. Lös dehnte sich, der Kellner meinte, der frühe Gast habe ihm gewinkt und kam gemütlich näher; ob der Kamerad etwas brauche? –»Nein.« – Das sei wohl nicht ganz leicht, sich jetzt wieder hineinzufinden in das neue Leben, nach den vielen Jahren Bled, meinte er. Wo denn Lös gewesen sei, zuletzt? In Gourrama? Kenne er nicht. Er sei mehr in Tunis gewesen. Auch dort sei es nicht gerade angenehm. Diese Hitze! Und wie das eigentlich sei in der Legion? Wirklich so schlecht, wie man überall höre?
    Lös mußte nachdenken… Schlecht? Nein, schlecht eigentlich nicht, bloß ungeheuer langweilig. Und eigentlich auch nicht langweilig. Überhaupt sei das schwer zu formulieren; die Legion sei eben die Legion. Eine bedrückende Atmosphäre, ein seelisches Fieberklima, wenn der Kamerad den Ausdruck verstehe. Und das mache das Leben dort so schwer, weil man immer wieder in Versuchung komme, aus reiner Langeweile Dummheiten zu machen.
    Ja, das kenne er gut, meinte der Kellner und kratzte sich die glatte Wange. Auch in Tunis seien immer alle unzufrieden gewesen, wegen des Essens, wegen der Korporäle, die frech gewesen seien.
    »Denk dir«, sagte Lös, (das Duzen verstand sich von selbst) »da haben wir letzten Herbst eine Revolte gehabt. Ich lag im Krankenzimmer; weißt du: ein Messerstich; die Wunde hat sehr geblutet. Die Kompagnie, es war eine Compagnie montée, du weißt doch was das ist?« Der Kellner nickte. »Ja, und da wurde die Kompagnie von einem Dschisch angefallen, kam ein wenig überreizt in den Posten zurück, der Capitaine (übrigens war er ein lieber Kerl, dieser Capitaine) gab den Leuten ein paar Ruhetage, und aus lauter Langeweile fingen einige an zu revoltieren. Nicht böswillig, nein, nur ein schwarzer Korporal mußte dran glauben. Dann kamen die Gums über den Posten und räumten auf… Der Capitaine wurde abgesetzt, ein Neuer kam, aus Frankreich, und der brachte den Leuten Anstand bei. In zwei Monaten zwölf Klagen fürs Kriegsgericht! Gehorsamsverweigerung allesamt. Aber dann ging es plötzlich wieder. Geschlaucht hat er uns, der Neue, ich war froh, daß ich für die Reform vorgemerkt war. So konnte er mir nicht mehr viel tun. Ich meldete mich einfach immer krank, und da der Major mich gern hatte, war ich immer dienstfrei. Aber zum Schluß mußte ich doch noch ausrücken zum Straßenbau, das war… wart einmal… vor zwei Monaten. Und plötzlich an einem Sonntag, ich weiß das noch genau, ruft mich der Chef. Ich lag im Zelt und schlief halb. Darum antwortete ich nur ›Merde‹, wie es sich gebührt. Da lachte der Chef, übrigens war er lustig, was der für Sachen aufgeführt hat, du machst dir keinen Begriff. Wie der neue Capitaine gekommen ist, sollte der Chef natürlich auch ausrücken… Weißt du, was er gemacht hat? Am Tag des Abmarsches läßt er sich von seinem Zimmer auf einem Schiebkarren in die Messe fahren, mit dickverbundenem Bein: Er habe Gicht, könne unmöglich reiten. Was sollte der Capitaine tun? Damals war's
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