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Das Tor des Suedens

Das Tor des Suedens

Titel: Das Tor des Suedens
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Neal Davenport
    Das Tor des Südens
    Wanto zitterte vor Angst und Kälte. Verstört blickte er sich um. Das Schneetreiben war so dicht, dass er kaum die Hand vor dem Gesicht sehen konnte.
    »Patta!« schrie er immer wieder. Doch seine Gefährtin, die er im Schneesturm aus den Augen verloren hatte, meldete sich nicht.
    Sein Gesicht war eine eisbedeckte Maske. Die Barthaare waren gefroren, die Hände aufgeplatzt und blutig. Schon lange hatte er jede Orientierung verloren. Wie blind taumelte er hin und her, manchmal stolperte er und fiel zu Boden. Mühsam erhob er sich dann und stemmte sich keuchend dem heulenden Wind entgegen, der an seinen steif gefrorenen Fellkleidern zerrte.
    Auf einmal stieß er gegen eine schroffe Felswand. Erschöpft setzte er sich nieder und zog die Beine an. Er atmete röchelnd und stierte die Schneeflocken an, die ihm ins Gesicht peitschten.
    Seine Gefährtin und er waren von unheimlichen Mächten in das Land der Eisgötter getrieben worden. Niemals wäre er freiwillig in das Land ohne Wiederkehr gekommen. Ihn fröstelte, als er an die uralten Sagen dachte, die von grauenvollen Ungeheuern berichteten, die im Eisland hausen sollten. Oft hatte er den Alten gelauscht, die in lauen Sommernächten von dem Grauen des Eislands erzählten, in denen es von geheimnisvollen Schlangen, Eisgeistern und Drachen nur so wimmelte. Gelegentlich waren kühne Jünglinge des Stammes aufgebrochen, um die Rätsel des Eislands zu erkunden, doch nie war jemand zurückgekehrt.
    Manchmal hob Wanto den Kopf und lauschte, doch außer dem wütend heulenden Sturm war nichts zu hören. Er drückte sich enger an die Felswand, und der Schnee hüllte seine angezogenen Beine wie ein Tuch ein.
    Plötzlich war der Schneesturm vorbei. Er fand sich auf einer Hochebene wieder. Mannshohe Schneeverwehungen wechselten mit spitzen, eisbedeckten Felsnadeln ab, die in den grauen Himmel stießen.
    »Patta!« brüllte er. Doch sie antwortete immer noch nicht. Verzweifelt versuchte Wanto sich zu orientieren, aber es gelang ihm nicht. Diese Ebene war ihm unbekannt.
    Ein durchdringendes Krächzen ließ ihn herumwirbeln. Er hob den Kopf, und seine Augen weiteten sich vor Entsetzen.
    Ein Ungeheuer flog langsam auf ihn zu. Es war mannsgroß und hatte einen abstoßend hässlichen Schädel, der in einen spitzen Schnabel auslief. Der Leib schimmerte türkis und war halb durchsichtig. Die gewaltigen Flügel waren zwei Mannslängen weit und durchschimmernd. Von dem Drachen ging eine unnatürliche Kälte aus.
    Wanto wandte sich schreiend zur Flucht. Das durchdringende Krächzen wurde lauter, und ein eisiger Hauch wehte auf ihn zu. Augenblicklich waren seine Beine mit einer dünnen Eisschicht überzogen, die ihn lähmte. Ein weiterer eiskalter Hauch verwandelte seine Arme und den Körper in Eiszapfen.
    Der Eisdrache flog über ihn hinweg. Das grauenvolle Krächzen wurde leiser, und dann war das Ungeheuer verschwunden.
    Den Kopf konnte er bewegen. Er stierte seine mit einer dicken Eisschicht bedeckten Arme und Hände an, und ein hoffnungsloses Stöhnen kam über seine Lippen. Mutlos schloss er die Augen.
    Als er den Entsetzensschrei seiner Gefährtin hörte, riss er die Augen auf. Nun erwachten schlagartig seine Lebensgeister. Mit aller Kraft spannte er die Muskeln an. Die Eisschicht, die seine Beine umklammerte, begann zu knirschen. Er verdoppelte seine Bemühungen, und plötzlich konnte er das rechte Bein bewegen.
    »Patta!« schrie er. »Patta!« Mit dem rechten Fuß trat er gegen das linke Bein. Krachend zersplitterte das Eis.
    Das schaurige Krächzen des unheimlichen Wesens war wieder zu hören. Der Drache flog genau auf ihn zu. Zwischen seinen riesigen Zähnen hielt er die bewusstlose Patta. Einer der eiskalten Flügel streifte Wanto und warf ihn zu Boden. Benommen blieb er liegen.
    Als er sich aufrichtete, war der Drache verschwunden. Wild fluchend stand er auf. Seine Arme und der Oberkörper waren noch immer mit Eis bedeckt. Er stapfte auf eine der Felsnadeln zu und schlug den rechten Arm dagegen. Das Eis zersplitterte. Innerhalb weniger Augenblicke war er von der fesselnden Eisschicht befreit und konnte sich wieder normal bewegen. Er riss die schwere Steinaxt aus dem Gürtel und lief in Richtung Süden, wohin der Drache geflogen war.
    Doch nach ein paar Schritten blieb er stehen, denn das Eis unter seinen Füßen bebte und knirschte. Risse durchzogen die Eisschicht, und Spalten klafften plötzlich wie die Mäuler namenloser Bestien.
    Bebend vor
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