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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
Autoren: Friedrich Glauser
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heißen Getränk (auf dessen Oberfläche noch zerbröckelte Körner schwammen) heftig an die Lippen des Liegenden. Der Schmerz ließ den Capitaine auffahren. Er trank, immerfort blasend, die Tasse leer, sank noch einmal zurück, aber Samotadji feuerte ihn an: »Sie haben geschossen, mon capitaine.« »Ja, ja«, murmelte Chabert. Aber in diesem Augenblick knallten vier weitere Schüsse, im Hof der Verpflegung dröhnte Fußgetrappel, ein Feuerschein flammte durch die Scheiben des Fensters. Chabert murmelte: »Es ist doch nichts, eine Volksbelustigung.«
    Pausanker stand mit erstauntem Bubengesicht mitten in der schreienden Menge. Noch immer hielt er das Gewehr, wie ein Jäger, der aus Versehen einen Hasen geschossen hat. Lachen war um ihn und Brüllen. Langsam schob er sich auf seinen Sergeanten zu, nahm ihn am Arm, gab der liegenden Gestalt des Schwarzen einen Fußtritt. »König wirst du«, lallte Farny, »König von Kamerun. Denn weißt du, Kamerun gehört uns, daß du's nur weißt. Sag's den anderen, sonst vergessen sie's, und sag ihnen auch, sie sollen die Biester vertreiben, die mich plagen wollen, siehst du dort hinten? Da warten schon Katzen auf mich und Mäuse. Wo warst du heut abend?« fuhr er plötzlich Pausanker mit erschreckender Deutlichkeit an. »Warst mit einem anderen zusammen. Ich weiß es. Nicht leugnen! Wart nur, wir rechnen noch ab. Ich hab dir verboten, mit einem andern zu gehen. Du gehörst mir. Du trägst das Siegel. Das kaiserliche Siegel. Vergiß es nicht.«
    Farny wollte an die Umstehenden Befehle austeilen; da sah er mit Unmut, daß ein anderer die Führung ergriffen hatte. »Ruhig dort«, versuchte er zu schreien. Aber seine Stimme war zu heiser, um sich Gehör verschaffen zu können. Kraschinsky, der Berliner, hatte sich auf die Schultern des geduldigen alten Guy geschwungen, Stefan, dessen Augen gefährlich glänzten, stützte ihn von hinten: und so gesichert hielt Kraschinsky seine große Rede.
    Da man nun so fröhlich beisammen sei, sagte er, (und schwang die Arme, als wolle er die Menge umfangen) und die Geistesgegenwart eines allseitig beliebten Kameraden den verehrten Sergeanten Farny aus den Klauen eines Negers gerettet habe, so sei der Weg, der begangen werden müsse, ohne weiteres vorgezeichnet. Er sei überzeugt, im Namen aller zu sprechen, wenn er nun vorschlage, die günstige Gelegenheit beim Schopf zu packen und ein für allemal mit der Tyrannei abzufahren, unter der sie alle Jahrelang gestöhnt hätten. Frei sein wollten sie! Marokko sei groß, die Eingeborenen hätten genug von der fremden Herrschaft, einige Teile des Landes seien auch noch nicht unterworfen, dorthin müsse man ziehen! Dort sei die Freiheit! Er wisse, wenn man zu den Leuten komme, ein paar Maschinengewehre anbiete und Munition, werde man hochwillkommen sein.
    »Glaubt ihr nicht?«
    Ein langgezogenes Hurra antwortete dem Redner. Eifrig liefen die Russen umher und ließen sich die Worte übersetzen. Weit von der Menge entfernt, an den Wänden der Baracken, lehnten Gestalten im Schatten, murmelten sich Worte zu: Korporal Ackermann, Koribout, Sergeant Sitnikoff. Zu den dreien gesellte sich eine tiefgebückte Gestalt, die auf allen Vieren zu gehen schien, sich an der Mauer hochtastete und dann schweratmend stillstand: Lös, der aus dem Krankenzimmer gekrochen war. »Was habe ich Ihnen gesagt, Lös? Heute nachmittag? Habe ich nicht recht gehabt? Und der Capitaine kommt nicht. Es ist Licht in seinem Zimmer. Wenn er kommt, müssen wir ihn schützen, haben Sie verstanden, Ackermann?« Ackermann nickte nur; er nahm die Mütze ab und seine blonden Haare schimmerten hell in der Nacht. Aus der Sergeantenmesse drang wüster Lärm und das Klirren zersplitternder Gläser.
    »Was wir brauchen«, tönte Kraschinskys aufdringliche Stimme weiter, »sind Lebensmittel, damit wir uns durchschlagen können. Was wir aber vor allem brauchen, ist ein Führerrat, der die Organisation der Sache in die Hand nimmt. Den Sergeanten kann man nicht trauen, es müssen Leute von uns sein. Der einzige, der zu uns halten wird , ist Sergeant Farny, unser Befreier, denn sein Ruf hat uns die Waffen in die Hände gedrückt. Er soll zuerst die Führung übernehmen. Die anderen Sergeanten… Hört ihr sie lärmen?« Kraschinsky breitete die Hand aus, eine plötzliche Stille entstand, in der das Brüllen Cattaneos und die Fistelstimme Baguelins deutlich aus der Messe drang. Dann kam hinter dem Rücken Kraschinskys eine Stimme hoch: »Qu'est ce qu'il
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