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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
Autoren: Friedrich Glauser
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diesem Posten, in dem es drunter und drüber ging. Eine große Verachtung hatte er für den Capitaine, der es nicht gewagt hatte, die zwei zu bestrafen, die sich gegen das Gesetz des Gehorsams vergangen hatten.
    Seignac ließ seine Leute antreten, Waffe an der Hand, wie der Ausdruck heißt; keiner hatte gegen den Schwarzen etwas einzuwenden. Alle waren sie geladen mit Spannung. Eingreifen dürfen! Nie noch hatten im kleinen Posten die Gewehrgriffe so gut geklappt. Und »Vorwärts! Marsch!« kommandierte Korporal Seignac.
    Nur ein paar Schritte waren es, dann sahen sie vor sich einen verknäuelten Menschenhaufen. In der Mitte des Haufens stand Sergeant Farny. Beleuchtet wurde er von dem Licht einiger Kerzen, die auf hochgereckten Armen wie auf sonderbaren Leuchtern staken. Farnys zerfressener Schnurrbart war deutlich gesträubt und Schaumflocken hingen darin wie feine Wattebüschel. Eben hielt er eine Rede an die Umstehenden in seiner deutschen Muttersprache. Aber es waren nur einige Worte zu verstehen, der Rest war so zerkaut, daß er unverständlich blieb.
    Im Turm des Capitaines flammte Licht auf. Chabert war heute früh schlafen gegangen. Die Aufregungen der letzten Tage hatten ihn erschöpft. Er schlief fest und tief, und Samotadji brauchte einige Minuten, bis sein Herr nur die Augen aufschlug. »Sergeant Farny verrückt geworden« murmelte er immer wieder. »Capitaine müssen hinunter gehen.« »Mein Kopf ist eine hohle Kugel«, sagte der Capitaine tief traurig. »Mach Kaffee, Samotadji, und gib mir einen Schnaps. Dann wach ich vielleicht auf.« Samotadji stellte Wasser auf einen kleinen Spirituskocher, dessen blaues Flämmchen vor dem Bilde der Hugenottin wie ein Opferlämpchen brannte. Der Capitaine war mit dem Oberkörper aufs Bett zurückgesunken und döste mit schlaff herunterhängendem Unterkiefer, schnarchte dazu leise. Das Wasser summte in der Pfanne…
    »Sektion halt!« kommandierte Korporal Seignac. Die Gewehrkolben fielen in drei Schlägen zur Erde. Seignac als einziger ließ das Gewehr geschultert. Zuerst versuchte er sanft den Knäuel der Menschen zu durchbrechen, um bis zu dem Schreienden zu gelangen. Da er nicht durchkam, kehrte er das Gewehr um und teilte Kolbenstöße aus. Die Getroffenen beklagten sich laut, wütend. Endlich war Seignac bis zu Farny vorgedrungen, legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte ruhig und fest: »Kommen Sie mit, Sergeant. Sie sind aufgeregt, Sergeant. Legen Sie sich nieder, Sergeant.« Dies alles in einem Ton gesprochen, der Überlegenheit zeigte, und mit einer Aussprache, die einem Mitglied der Comédie Française Ehre machen würde.
    »Seht ihr«, keifte Farny, »ein dreckiger Neger, der sich an mir vergreifen will. Schlagt ihn tot, schlagt ihn tot!« Er hatte sich von Seignacs Hand befreit und wiederholte seinen Schicksalsruf: »Aux armes!«
    Pausanker war mit den Sängern aus der Tür getreten, er hielt das Gewehr im Arm, wie ein Sonntagsjäger, den Lauf gegen die Sterne gerichtet. Er sah seinen Sergeanten, über den ihm Sitnikoff so viel Schlechtes gesagt hatte, und glaubte, einen neuen unbekannten Menschen zu erblicken.
    Stolz stand Farny da, Begeisterung funkelte ihm aus den Augen; trotz seiner geringen Körpergröße schien er die Menge zu überragen. Pausanker hatte heute abend viel getrunken. Aber nicht nur der Alkohol trieb ihn, jetzt, da Farny wieder sein stotterndes Singen begann (»Ach nur 'n bißchen Liebe«) und Seignac den Arm um die Schultern des Sergeanten legte. Der Neger sagte zu Veitl: »Es ist ganz leicht, unter diesen Betrunkenen Ruhe zu schaffen. Sehen Sie, Sie haben nicht einmal eingreifen müssen, alles habe ich allein getan.«
    Da platzte ein Laut in das Stimmengewirr. In dem Geschrei war er nicht auffallend, aber doch so deutlich, daß er eine plötzliche Stille hervorrief. Seignac schwankte ein wenig, hielt sich an einem neben ihm Stehenden; dessen Kerze fiel zu Boden. Dann lockerte Seignac seinen Griff und sank um. Die Kerze, die neben ihm auf dem Boden lag, flackerte zuerst ein wenig und brannte dann weiter mit stiller Flamme. In ihrem Licht sah Veitl das schwarze Gesicht langsam grau werden, ein Ausdruck des Erstaunens klebte darauf. Dann schimmerten die Augäpfel weiß zwischen den halbgeschlossenen Lidern.
    Im Turmzimmer verbreitete sich Kaffeegeruch. Chabert fuhr ein wenig auf – der Knall des Schusses – dann fiel er wieder zurück und murmelte: »Was war das?« Aber Samotadji wurde energisch, er führte die Tasse mit dem
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