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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
Autoren: Friedrich Glauser
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nur'n bißchen Liebe…«
    Eine große Verzweiflung leuchtete in diesen gekrächzten Liedfetzen und es ward plötzlich still. Alle standen auf (auch der Adjutant), Baguelin glotzte. Diese plötzliche Stummheit war sehr grauenhaft. Hassa schüttelte sich, lachte lautlos mit offenem Mund, das Lachen ging in ein Schluchzen über. Er sank mit dem Oberkörper über den Tisch und seine Schultern zitterten heftig.
    »Und nur'n bißchen Liebe…«
    sang Farny, storchte zur Tür, stieß sie auf, mit steifem Bein, und schmetterte sie von draußen zu.
    Die Luft schien ihm unwahrscheinlich dick. Sie drang ihm in die Nase, in den Mund, wie heißer Staub, und hinderte ihn am Atmen. Er glaubte noch die schmatzenden Küsse Cattaneos zu hören und ihn packte der Wunsch, eine kühle Haut zu streicheln. »Ja, der Junge hat eine kühle Haut, wir wollen den Jungen holen gehen.« Er torkelte gegen das Gebäude der dritten Sektion und stieß die Tür mit einem Fußtritt auf.
    Auf den Brettern über den Matratzen brannten Kerzen. Die kahle Baracke sah festlich aus. Gruppen von vieren und fünfen saßen auf dem Boden, schmierige Kartenblätter in den Fäusten. Zigarettenrauch und Schnapsdampf zitterte über den Köpfen. Ein Flüstern blies zuweilen durch den Raum: »Noch eine Karte… zwanzig… nichts wert, zwei As… die Bank gewinnt.«
    »Wo… ist… meine… Ordonnanz?« Keine Antwort. »Könnt ihr nicht antworten? Schweine!« Einige blickten auf, die Kerzenflammen warfen Glanzlichter auf die Augäpfel, die feuchten Stirnen und die Wangen.
    Steif ging Farny zum Angriff vor. Die dumpfe Luft schien seine Betrunkenheit zu verstärken. Er stieß mit der Fußspitze nach einem der Sitzenden, ergriff dann eine Flasche, leerte sie. Gehässige Worte zerknallten in der Stille wie platzende Schweinsblasen. »Reklamieren«, schrie Farny, »reklamieren wollt ihr? Pack! Wißt ihr, wen ihr vor euch habt?« Irgend etwas Drohendes fühlte Farny in sich hochsteigen, er versuchte es zu bannen mit den Worten, die sonst zur Meldung vor einem hohen Vorgesetzten dienen: »Sergeant Farny von der zweiten Compagnie montée des dritten Fremdenregiments.« Aber eine Stimme in ihm übertönte diese Worte. Sie wurden zu einem Lallen in seinem Munde, während ein Fremder in ihm laut und deutlich sprach, so daß ihm nichts anderes übrigblieb, als diese unbekannten Worte nachzusprechen, »Kaiser! Ich bin euer Kaiser! Befehle! Befehle!« Er hörte das Lachen nicht mehr, seine Ohren waren taub geworden; er stand nur und murmelte, Speichel lief aus seinem Munde. »Feinde überall, viele Feinde. Katzen, Tiere, Tiger, Katzen. Katzen sollen vergiftet werden. Wenn ich befehle. Nicht mich vergiften.
    Wo ist meine Ordonnanz der König? Nicht König heißt er, er ist König!« Plötzlich drehte er sich zweimal um sich selbst, Schwindel schien ihn zu packen. »Zu den Waffen!« brüllte er, »Aux armes! aux armes!« Mit diesem Schrei stürzte er zur Tür hinaus.
    Pausanker sang gerade in der Mitrailleusensektion mit einigen anderen Deutschen das schöne Lied: »An der Saale grünem Strande.« Sie waren bei der letzten Strophe angelangt und sangen in einer Art Verzauberung. Sie hielten sich nicht an den Händen gefaßt, und dennoch hatten sie sehr stark das Gefühl einer innern Zusammengehörigkeit; dies tat ihnen wohl, vielleicht weil es sie zu einem Zorn aufpeitschte, der süß war. –
    »Aux armes!« schrie es draußen.
    Alle kannten sie diesen Ruf. In Algerien in den kleinen Garnisonen hatten sie ihn gehört, in Bel-Abbés vor allem, wenn am Morgen der dicke Boulet Ducarreau in die Kaserne rollte, der Colonel. Aber hier? Die Stimme draußen war schrill. – Hatten Araber den Posten angegriffen? Nur Pausanker erkannte die Stimme und Sorge erfüllte ihn. Nun drängten sie sich alle an die Rechen, wo die Gewehre standen. Mechanisch schoben sie Patronen ins Magazin; und dann stürzten sie in den Hof und trafen dort auf eine schon schreiende kreischende Masse. – Auch Seignac, der um fünf Uhr auf Wache gezogen war, hatte den Ruf gehört. Wie ein Schlag auf den Nacken traf er ihn. Einen Augenblick blieb er erstarrt stehen, weil er nicht verstand, woher der Ruf kommen konnte. Keine der ausgestellten Wachen hatte ihn ausgestoßen: mitten im Posten war er geplatzt, und es war Farnys Stimme gewesen, unbedingt. »Er ist besoffen« sagte Seignac leise zu Veitl, der neben ihm stand, »wir müssen Ordnung schaffen gehen.« Er fühlte, daß er der einzige Verteidiger der Disziplin war in
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