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Die Kanonen von Navarone

Die Kanonen von Navarone

Titel: Die Kanonen von Navarone
Autoren: Alistair MacLean
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1. KAPITEL
    Vorspiel
    Sonntag 01.00 bis 09.00 Uhr
    Laut kratzte der Streichholzkopf über das rostige Metall des Wellblechschuppens, zischte kurz und zerplatzte zu einem flackernden Lichtfleck. Das harte Geräusch und das jähe Aufleuchten muteten in der nächtlichen Stille der Wüste seltsam fremd an. Mechanisch verfolgten Mallorys Augen, wie das flammende Hölzchen in der hohlen Hand an die Zigarette gebracht wurde, die unter dem scharf gestutzten Schnurrbart des Kommodore herausragte. Er sah es ein paar Zentimeter vor dem Gesicht stillstehen, sah dieses Gesicht plötzlich reglos werden und den Blick des Mannes leer in gespanntem Lauschen. Dann war das Streichholz fort, im Sande des Flugplatzes ausgetreten.
    »Ich kann sie hören«, sagte der Kommodore leise. »Höre sie 'reinkommen. Noch fünf Minuten, höchstens. Kein Wind heute nacht … sie werden auf Rollfeld 2 landen. Kommen Sie: wollen sie im Auswertraum empfangen.« Er machte eine Pause, schaute Mallory spöttisch an und schien zu lächeln. Doch bei der Dunkelheit täuschte das, denn in seiner Stimme lag kein Humor. »Zähmen Sie nur Ihre Ungeduld, junger Mann … noch ein Weilchen. Die Geschichte hat heute nacht nicht sonderlich geklappt. Sie werden bald Antwort auf alle Ihre Fragen haben. Ich fürchte, schneller als Ihnen lieb ist.« Er drehte sich jäh um und schritt auf die niederen Gebäude zu, die sich undeutlich von der bleichen Dunkelheit von dem flachen Horizont abhoben.
    Mallory zuckte die Achseln, dann folgte er ihm, langsamer, Schritt für Schritt neben dem Dritten in ihrer Gruppe, einem breiten, stämmigen Menschen mit ausgeprägtem Seemannsgang. Mallory fragte sich verdrießlich, wie lange Jensen wohl geübt haben mochte, bis die charakteristischen Bewegungen des Seemanns sich so ausprägten. Dreißig Jahre Seefahrt – die hatte Jensen hinter sich – reichten natürlich aus, sich diesen wiegenden Gang anzugewöhnen, doch war der nicht typisch für ihn. Bei den glänzenden Erfolgen, die Kapitän James Jensen von der Königl. Kriegsmarine, Inhaber des D.S.O. als Stabschef der Untergrundbewegung Südost in Kairo aufzuweisen hatte, waren Intrigen und Tricks, Imitation und Tarnung sein selbstverständlicher Lebensinhalt. Als Hetzredner unter levantinischen Hafenarbeitern hatte er sich auf den Kais von Alexandrette bis Alexandria den höchsten Respekt zu verschaffen gewußt; als Kameltreiber hatte er durch gotteslästerliches Fluchen alle als Konkurrenten in Frage kommenden Beduinen aus dem Felde geschlagen, und es gab wohl auf den Bazaren und Märkten keinen echten Bettler, der mit so realistischen Wundmalen wie er so jämmerlich um Mitleid zu flehen verstand. Heute abend allerdings war er nur der derbe, schlichte Seemann, vom Mützenüberzug bis zu den Leinenschuhen ganz in Weiß gekleidet. Reflexe vom Sternenschimmer blinkten sanft auf der Goldborte seiner Schulterstücke und dem Mützenschirm.
    In kameradschaftlichem Gleichmaß knirschten ihre Schritte über den festen Sandboden, und klangen hart, als sie den Beton der Rollbahn betraten.
    Die hastende Gestalt des Kommodore der Luftwaffe war ihnen schon fast außer Sicht gekommen. Mallory atmete tief und wandte sich plötzlich Jensen zu.
    »Darf ich fragen, Sir, was das alles eigentlich bedeutet? Das viele Gerede und die ganze Geheimnistuerei? Und weshalb ich hier mitzuwirken habe? Großer Gott, Sir, gestern erst hat man mich von Kreta 'runtergeholt und mir knapp acht Stunden vorher mitgeteilt, daß ich abgelöst würde. Einen Monat Urlaub, wurde mir gesagt. Und was geschah tatsächlich?«
    »Na«, murmelte Jensen, »was geschah denn?«
    »Kein Urlaub«, sagte Mallory bitter. »Nicht mal eine Nacht Schlaf. Bloß stundenlang im Hauptquartier der S.O.B, gehockt und eine Masse dämlicher Fragen über das Klettern in den Südalpen beantwortet. Dann zu Mitternacht aus dem Bett geholt, mit dem Befehl, mich zu Ihnen zu begeben, und nachher stundenlang durch die verfluchte Wüste gekarrt von einem irrsinnigen Schotten, der Sauflieder grölte und mir Hunderte noch blöderer Fragen stellte!«
    »Eine meiner Verkleidungen, die ich immer für besonders wirkungsvoll gehalten habe«, sagte Jensen gemütlich. »Für meinen Teil fand ich die Reise sehr unterhaltsam.«
    »Eine Ihrer –?« Mallory hielt inne, entsetzt bei der Erinnerung an das, was er dem ältlichen, backenbärtigen schottischen Hauptmann gesagt hatte, der ihn im Truppenauto gefahren hatte. »Ich – es tut mir schrecklich leid, Sir. Ich
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