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Die Kanonen von Navarone

Die Kanonen von Navarone

Titel: Die Kanonen von Navarone
Autoren: Alistair MacLean
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rhetorisch. »Wer hätte nicht von Keith Mallory gehört in den glorreichen Zeiten vor dem Krieg? Der beste Bergsteiger, der größte Felsenkletterer, der je aus Neuseeland hervorgegangen ist – und damit meinen die Neuseeländer selbstverständlich ›aus der ganzen Welt‹. Die menschliche Fliege, der Ersteiger des Unersteigbaren, der Erklimmer senkrechter Klippen und unmöglicher Abhänge. Die ganze Südküste von Navarone«, erklärte Jensen heiter, »besteht aus einem einzigen, unmöglich steilen Abhang, an dem es keinen Halt für Hand oder Fuß gibt.«
    »Ich verstehe«, murmelte Mallory, »jetzt verstehe ich richtig. Nach Navarone auf dem schwereren Weg. So sagten Sie doch?«
    »Sagte ich«, bestätigte Jensen. »Sie und Ihre Männer – nur vier andere noch. Mallory's Merry Mountaineers – Ihre fröhlichen Bergsteiger! Einzeln ausgewählt. Jeder ein Spezialist. Sie werden sie alle morgen nachmittag kennenlernen – vielmehr heute nachmittag.«
    Die nächsten zehn Minuten fuhren sie schweigend, bogen nach rechts ab ins Hafengebiet, hoppelten ungemütlich über die klobigen Kopfsteine der Rue Souers, schwankten in den Mohammed-Ali-Platz, fuhren an der Börse entlang und bogen in die Sherif-Pasha-Straße.
    Mallory blickte den Mann am Lenkrad an. Er konnte jetzt, in der zunehmenden Helligkeit, sein Gesicht klar erkennen. »Wohin geht's, Sir?« fragte er.
    »Zu dem einzigen Menschen im Mittelosten, der Ihnen jetzt behilflich sein kann. Monsieur Eugene Vlachos aus Navarone.«
    »Sie sind ein tapferer Mann, Hauptmann Mallory.« Nervös drehte Eugene Vlachos die langen spitzen Enden seines schwarzen Schnurrbarts. »Ein tapferer und ein törichter, würde ich sagen – doch kann man wohl einen Menschen nicht töricht nennen, wenn er Befehlen gehorcht.« Seine Augen wandten sich von der großen Zeichnung vor ihm auf dem Tisch dem unbewegten Gesicht Jensens zu.
    »Gibt es denn kein anderes Mittel, Kapitän?« fragte er.
    Jensen schüttelte langsam den Kopf. »Wir haben alle Methoden ausprobiert, Sir. Alle waren ungeeignet. Dies ist die letzte.«
    »Also muß er den Weg gehen?«
    »Es sind über tausend Mann auf Kheros, Sir.«
    Vlachos neigte in stiller Zustimmung das Haupt, dann lächelte er Mallory matt an. »Er nennt mich ›Sir‹«, sagte er. »Mich, einen armen griechischen Hotelier, und Kapitän Jensen von der Royal Navy nennt mich Sir! Ein schönes Gefühl für einen alten Mann.« Er schwieg, blickte leer in die Ferne, seine verblaßten Augen und das müde, faltige Gesicht wurden weich unter den Erinnerungen. »Ein alter Mann, Hauptmann Mallory, jetzt alt, und arm und traurig. Aber das war ich nicht immer. Einst war ich auch in den besten Jahren, war reich und zufrieden. Einst besaß ich ein herrliches Land, hundert Quadratmeilen des schönsten Landes, das Gott je seinen Geschöpfen gab, um ihre Augen hier unten zu entzücken. Und wie sehr liebte ich dieses Land!« Er lachte verlegen und fuhr sich mit der Hand durch sein dichtes, ergrauendes Haar. »Ah ja, ich glaube, es kommt – wie man bei Ihnen sagt – nur darauf an, wie einer es anschaut. ›Ein herrliches Land‹ sage ich. ›Der verfluchte Felsen!‹ so soll Kapitän Jensen es genannt haben, als ich's nicht hören konnte.« Er lächelte über Jensens plötzliches Unbehagen. »Aber wir geben ihm beide den gleichen Namen – Navarone.«
    Mallory blickte Jensen ganz verblüfft an. Jensen nickte. »Die Familie Vlachos hat Navarone seit Generationen besessen. Wir haben Monsieur Vlachos vor anderthalb Jahren in großer Eile evakuieren müssen. Die Deutschen legten auf seine Art der Kollaboration keinen besonderen Wert.«
    »Es ging – wie sagten Sie noch? – ja: um Haaresbreite«, nickte Vlachos. »Man hatte bereits für mich und meine zwei Söhne drei ganz spezielle Plätze in den Kerkern von Navarone reserviert. Doch genug von der Familie Vlachos. Ich wollte nur gern, daß Sie wissen, daß ich vierzig Jahre auf Navarone zugebracht habe und beinah vier Tage« – er machte eine Bewegung nach dem Tisch – »vor der Karte hier. Meinen Auskünften und dieser Ortskarte können Sie unbedingt vertrauen. Viele Dinge am Ort haben sich natürlich verändert, aber manche ändern sich nie. Die Berge und Buchten, die Pässe, die Höhen, die Straßen und die Häuser und, vor allem, die Festung selbst – die sind seit Jahrhunderten unverändert geblieben, Hauptmann Mallory. Ich gebe Ihnen mein Wort darauf.«
    »Ich verstehe, Sir.« Mallory faltete
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