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Die Kanonen von Navarone

Die Kanonen von Navarone

Titel: Die Kanonen von Navarone
Autoren: Alistair MacLean
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jung‹, dachte Mallory, als er ihn prüfend betrachtete. Und Jugend konnte gefährlich werden. Allzuoft schon war sie im Bandenkrieg auf den Inseln verhängnisvoll geworden. Mit ihrer Begeisterung, dem Temperament und dem Eifer allein waren die jungen Menschen den Schwierigkeiten nicht gewachsen, vielmehr waren diese Eigenschaften oft geradezu hinderlich. Hier wurde kein Krieg mit Fanfarenstößen, donnernden Motoren und hochtrabendem Stolz im Lärm der Waffen geführt, sondern Krieg der Geduld, der Ausdauer und Zähigkeit, der Kenntnis von Mensch und Umgebung, der listigen Schliche und Hinterhalte – und dafür eigneten zu junge Leute sich nur selten … Doch Stevens sah aus, als könnte er rasch lernen.
    Mallory musterte abermals unauffällig Miller. Dieser Dusty Miller hatte offenbar schon vor sehr langer Zeit begriffen, worauf es ankam. Ein Mann seiner Art auf weißem Kriegsroß, die Trompete an den Lippen, war selbst bei lebhafter Phantasie einfach unvorstellbar. Miller sah aus wie einer, der sich lange genug in der Welt herumgetrieben hat, um alle Illusionen zu verlieren.
    Tatsächlich war Unteroffizier Miller genau vierzig Jahre in der Welt herumgekommen. Geboren in Kalifornien, dreiviertel Irländer und ein Viertel Mitteleuropäer, hatte er in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten mehr Kämpfe und Abenteuer mitgemacht, als dem Durchschnittsmenschen in zehn Lebenszeiten begegnen würden. Arbeiter in den Silberbergwerken von Nevada, beim Tunnelbau in Kanada und Spezialist im Löschen brennender Ölquellen in mehreren Erdteilen, war er, als Hitler Polen angriff, in Saudi-Arabien gewesen. Daß eine seiner weiblichen Vorfahren etwa um die Jahrhundertwende in Warschau gewohnt hatte, reichte hin, um Millers irisches Blut vor Zorn über den deutschen Affront in Wallung zu bringen. Er hatte das erste erreichbare Flugzeug nach England bestiegen und sich in die Luftwaffe hineingeschwindelt, die ihn, zu seiner höchsten Empörung, seines Alters wegen in den achteren Geschützturm einer Wellington »verbannte«.
    Sein erster Kampfeinsatz in der Luft war auch sein letzter geworden.
    Kaum zehn Minuten nachdem sie, in einer Januarnacht 1941, vom Flugplatz Menidi bei Athen aufgestiegen waren, hatte Motorschaden sie gezwungen, schmählich, wenn auch weich federnd, ihren Flug auf einem Reisfeld einige Kilometer nordwestlich der Stadt zu beenden. Den Rest des Winters verbrachte er, vor Wut siedend, in einer Feldküche in Menidi. Anfang April verließ er, ohne jemand davon zu unterrichten, die Luftwaffe, und stieß, als er sich nach Norden in die Kampfzone bis zur albanischen Grenze durchschlug, auf die nach Süden vordringenden Deutschen. Wie er später berichtete, erreichte er Nauplion ganz kurz vor Eintreffen der ersten Panzerdivision und wurde auf dem Transporter Slamat evakuiert. Das Schiff wurde versenkt, Miller von dem Zerstörer Wryneck aufgefischt, der ebenfalls sank, und traf schließlich auf einer steinalten griechischen Kajike in Alexandria ein. Nichts nannte er mehr sein eigen, außer dem festen Entschluß, sich nie wieder in die Luft oder aufs Meer zu wagen. Wenige Monate später befand er sich mit einem Sonderspähtrupp hinter den feindlichen Linien in Libyen.
    Er war, sann Mallory, ganz das Gegenstück zu Leutnant Stevens. Der war jung, frisch, begeisterungsfähig, korrekt und tadellos gekleidet; Miller war vertrocknet, hager, sehnig, unerhört zäh und hatte eine fast pathologische Abneigung gegen Politur und Schliff jeglicher Art. Wie gut der Spitzname Dusty – der Staubige – auf ihn paßte! Jedenfalls konnte es stärkere Gegensätze kaum geben. Auch, daß Miller noch nie im Leben einen Berg erstiegen hatte und von der griechischen Sprache nur Worte kannte, die man in keinem Lexikon fand. Dabei waren diese zwei Tatsachen hier ganz ohne Bedeutung, denn auf Miller war die Wahl nur aus einem einzigen Grunde gefallen: im Umgang mit Sprengstoffen galt er, erfinderisch, unerschütterlich ruhig und stets erfolgreich durch tödliche Präzision, bei der Abwehrstelle Mittelost in Kairo als der beste Saboteur von Südeuropa.
    Hinter Miller saß Casey Brown, klein, dunkel, gedrungen. Funkmeister Brown stammte vom Clyde und war im Frieden Erprobungsingenieur auf einer berühmten Bootswerft am Garesee gewesen. Wie sehr er zum perfekten Schiffsmaschinisten prädestiniert war, ließ sich daran erkennen, daß die Marine bei der Musterung prompt vorbeitippte und ihn in die Nachrichtenabteilung steckte. Browns Pech wurde
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