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Die Kanonen von Navarone

Die Kanonen von Navarone

Titel: Die Kanonen von Navarone
Autoren: Alistair MacLean
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gewöhnliche Kanonen«, fuhr Jensen gelassen fort. »Unsere Experten von der Flotte meinen, sie müßten etwa 23 cm Kaliber und gezogene Rohre haben. Ich persönlich halte sie für einen Typ der gefährlichen 21er, wie sie die Deutschen in Italien einsetzen – unsere Soldaten hier oben hassen und fürchten diese Geschütze über alles. Eine furchtbare Waffe – verdammt treffsicher bei sehr geringer Fluggeschwindigkeit des Geschosses. Wie dem auch sei«, fuhr er grimmig fort, »sie reichten hin, die Sybaris in fünf Minuten glatt zu erledigen.«
    Mallory nickte. »Die Sybaris? Ich glaube davon gehört –«
    »Ein Zerstörer mit 20-cm-Batterie, den wir vor ungefähr vier Monaten hinschickten, um die Deutschen anzugreifen. Reine Formsache, ein besseres Manöverschießen – dachten wir. Sybaris wurde einfach aus dem Wasser gepustet. Nur siebzehn Überlebende.«
    »Großer Gott!« Mallory war tief betroffen. »Ich wußte nicht –«
    »Vor zwei Monaten haben wir einen großangelegten amphibischen Angriff auf Navarone unternommen«, fuhr Jensen fort, ohne auf die Zwischenbemerkung einzugehen. »Kommandotrupps, Marinestoßtrupps und Jellicoe's Bootssonderdienst. Wir wußten, daß unsere Chance sehr klein war – Navarone besteht praktisch rundum aus einem einzigen Felsmassiv. Immerhin setzten wir hier Leute von besonderem Können ein, vielleicht die besten Sturmkommandos, die es zur Zeit gibt.« Fast eine Minute schwieg er wieder, dann sprach er sehr ruhig weiter. »Sie wurden in Stücke zerfetzt, beinah bis zum letzten Mann massakriert …
    Und schließlich, zweimal in den letzten zehn Tagen – wir wissen ja von dem geplanten Angriff auf Kheros schon lange – haben wir Saboteure mit Fallschirmen eingesetzt, Leute vom Bootssonderdienst.« Er zuckte ratlos die Achseln. »Die verschwanden glatt.«
    »Einfach weg? Spurlos?«
    »Spurlos. Weg. Und dann heute nacht – der letzte verzweifelte Einsatz des Spielers, oder wie Sie's nennen wollen. Bei der Auswertung heute abend da in der Baracke habe ich mich schön ruhig verhalten, und wußte warum. Ich war nämlich der ›Witzbold‹, den Torrance und seine Jungens gern über Navarone auskippen wollten. Und ich kann's ihnen nachfühlen. Aber ich habe das machen müssen, einfach müssen! Ich wußte, daß es hoffnungslos war – aber gemacht werden mußte es.«
    Der große Humber fuhr jetzt allmählich langsamer. Ruhig glitt er zwischen den elenden Hütten und armseligen Wohnhöhlen hindurch, die an der westlichen Zufahrt von Alexandria liegen. Am Himmel vor ihnen zeichneten sich dünn die ersten grauen Streifen der falschen Dämmerung ab.
    »Ich glaube nicht, daß ich mit einem Fallschirm besondere Leistungen vollbringen kann«, sagte Mallory zweifelnd. »Um es ganz ehrlich zu gestehen: Bisher habe ich Fallschirme überhaupt noch nicht aus der Nähe gesehen.«
    »Keine Sorge«, sagte Jensen knapp, »Sie werden auch keinen benutzen, denn Sie sollen auf dem schwereren Weg nach Navarone vordringen.«
    Mallory erwartete weitere Erklärungen, doch Jensen war still geworden, er konzentrierte sich ganz aufs Fahren, um die großen Schlaglöcher zu vermeiden, die die Straße jetzt in immer größerer Zahl aufwies. Nach einer Weile fragte Mallory: »Warum ich, Kapitän Jensen?«
    In der noch grauen Finsternis war Jensens Lächeln kaum sichtbar.
    Er riß den Wagen jäh zur Seite, um ein klaffendes Loch zu umfahren. Als er ihn wieder in Richtung hatte, sagte er: »Angst?«
    »Gewiß habe ich Angst. Nehmen Sie's mir nicht übel, Sir, aber bei Ihren Reden kann es jeder mit der Angst kriegen … Doch das hatte ich nicht gemeint.«
    »Weiß ich. Liegt wohl an meiner ironischen Art … Warum Sie? Besonders qualifiziert, Söhnchen, wie ich Ihnen schon sagte. Sie sprechen Griechisch wie ein Grieche, sprechen Deutsch wie ein Deutscher, sind ein geschickter Saboteur, erstklassiger Organisator und haben anderthalb Jahre in den Weißen Bergen von Kreta unversehrt überlebt – ein deutlicher Beweis für Ihre Fähigkeit, sich in feindlichem Gebiet am Leben zu erhalten.« Jensen kicherte. »Sie wären gewiß erstaunt, wenn Sie wüßten, wie vollständig meine Personalakte von Ihnen ist.«
    »Nein, wäre ich nicht«, sagte Mallory etwas ärgerlich. »Und«, fügte er hinzu, »ich kenne mindestens drei andere Offiziere mit den gleichen Befähigungen.«
    »Es gibt noch andere, ja«, stimmte Jensen bei, »aber es gibt keinen zweiten Keith Mallory. – Keith Mallory«, wiederholte Jensen
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