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Irgendwo ganz anders

Irgendwo ganz anders

Titel: Irgendwo ganz anders
Autoren: Jasper Fforde
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1.
    Frühstück
    Das Swindon, das ich im Jahre 2002 gekannt habe, hatte die besten Aussichten. Es war ein erfolgreiches Finanzzentrum mit einer hervorragenden Infrastruktur, lag mitten in einer grünen, friedlichen Landschaft und war vielleicht der beliebteste Ort in ganz England. Wir hatten ein Krocket-Stadium mit 40.000 Sitzplätzen, die neu erbaute St-Zvlkx-Kathedrale, eine Konzerthalle, zwei örtliche Fernsehsender und die einzige Radiostation in ganz England, die sich ausschließlich auf Mariachi-Musik spezialisiert hat. Die zentrale Lage im südlichen England hatte unseren neuen Clary-LaMarr-Travelport überdies zu einem Knotenpunkt des Überland-Schnellverkehrs werden lassen. Es ist wohl nur allzu verständlich, dass wir Swindon Das Juwel an der M4 nannten.
    Der gefährlich hohe DummheitsÜberschuss war an diesem Morgen wieder einmal Gegenstand des Leitartikels der Owl. Der Grund für die Krise war klar: Premierminister Redmond Van de Poste und seine Commonsense-Partei hatten ihre Pflichten mit rücksichtslosem Scharfsinn erfüllt. Anstatt von einer Krise zur nächsten zu stolpern und das Land mit ständigen Ad-hoc-Gesetzen und schlagzeilenträchtigem, aber sinnlosem Aktionismus zu beruhigen, hatten sie ein Netzwerk von vernünftigen, nachhaltigen Entscheidungen und Plänen geschaffen, das auf Einheit, Toleranz und Fairness beruhte. Für Alfredo Traficcone und seine oppositionelle Fähnchen-nach-dem-Wind-Partei, die das Land wieder auf das solide Fundament informationsloser Dummheit zurückführen wollten, war das ein unerträglicher Zustand.
    »Wie konnten sie das nur zulassen?«, fragte Landen, als er in die Küche kam. Er hatte gerade unsere Töchter zur Schule geschickt. Sie gingen natürlich alleine; Tuesday war jetzt dreizehn und sehr stolz darauf, dass sie auf die zehnjährige Jenny aufpassen durfte.
    »Wie bitte?«, sagte ich; denn ich hatte gerade überlegt, ob Pickwicks Federkleid womöglich gar nicht mehr nachwachsen und sie ihr ganzes Leben lang wie ein bratfertiges Hühnchen von Tesco’s aussehen würde.
    »Der DummheitsÜberschuss«, sagte Landen, während er sich an den Küchentisch setzte. »Ich bin ja sehr dafür, dass vernünftig regiert wird, aber solche Überschüsse an Dummheit aufzutürmen, muss früher oder später zu Problemen führen. Selbst mit ihrer Klugheit hat sich die Regierung als Verein von Idioten erwiesen.«
    »Es gibt eine Menge Idioten in diesem Land«, sagte ich geistesabwesend. »Die müssen auch vertreten werden.«
    Aber er hatte natürlich recht. Im Gegensatz zu früheren Regierungen, die unsere kollektive Dummheit auf das ganze Jahr verteilt hatten, war die gegenwärtige Regierung auf die Idee gekommen, die Dummheit zu sammeln und dann auf einen Schlag zu verjubeln. Eine einzige Mega-Blödheit alle zehn Jahre, sagten sie, ist weniger schädlich als eine wöchentliche Dosis politischer Eselei. Das Problem bestand darin, dass die Reserven jetzt eine solche Höhe erreicht hatten, dass sie nur durch einen absolut gigantischen Patzer abgebaut werden konnten. Über die Natur dieses bevorstehenden markerschütternden Schwachsinns wurde in der Presse viel spekuliert.
    »Sie geben es ja selbst zu«, sagte Landen, der sich allmählich in Rage redete, seine Brille für eine ordentliche Schimpftirade zurechtrückte und mit dem Zeigefinger auf die Zeitung tippte. »Der DummheitsÜberschuss ist ein viel größeres Problem, als sie gedacht haben.«
    Ich hielt Pickwick den gestreiften Dodo-Pullover, den ich für sie strickte, an die rosige, nackte Haut, um die Größe zu prüfen, und sie versuchte vergeblich sich aufzuplustern, um attraktiver zu wirken. Als sie merkte, dass es nichts nutzte, machte sie entrüstet plock! plock! , das einzige Geräusch, das sie je von sich gab.
    »Meinst du, ich sollte ihr noch einen Party-Pullover dazu stricken? Du weißt schon, schulterfrei, schwarz mit Pailletten und so?«
    »Aber unser Premierminister«, schnaubte Landen, »war sich ja zu fein, um Traficcones Vorschlag zu folgen und unsere überschüssige Dummheit in der Dritten Welt abzuladen, wo man sie nur allzu gern genommen hätte. Hätte uns bloß ein paar Säcke Bargeld und den einen oder anderen Mercedes gekostet!«
    »Der Premierminister hat recht«, sagte ich leise seufzend. »Die Dummheit ist unser eigenes Problem. Der Ausstoß muss auf individueller Basis bekämpft werden. Aber in den Haushaltsmüll darf man sie nicht tun, und auf der Müllkippe darf man sie auch nicht
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