Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Irgendwo ganz anders

Irgendwo ganz anders

Titel: Irgendwo ganz anders
Autoren: Jasper Fforde
Vom Netzwerk:
und wurde oft für tot gehalten, wenn sie im Autobus einschlief.
    »Na ja, ein bisschen wundern würd ich mich schon –«, gab sie zu.
    »Siehst du!«, sagte ich triumphierend zu meiner Mutter.
    »– weil, wenn du schon Landen und die Kinder am Sonntag zum Abendbrot einlädst, warum schickst du die SMS dann an mich?«
    »Ah, ich verstehe!«, sagte ich und hatte das Gefühl, zum Opfer einer Verschwörung geworden zu sein. Ich kam mir vor, als wäre ich gerade erst siebzehn, dabei war ich längst dreimal so alt.
    » Happy birthday, übrigens«, sagte meine Mutter. »Hier, ich hab was für dich!« Sie überreichte mir den scheußlichsten selbstgestrickten Pullover, den man sich vorstellen kann.
    »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, Mum! Also wirklich – ein hellgrüner kurzärmliger Pulli mit Kapuze und Hirschhornknöpfen aus Plastik!«
    »Gefällt er dir?«
    »Ein richtiger Hingucker.«
    »Na, prima! Dann ziehst du ihn am besten gleich an!«
    »Weißt du, ich will ihn nicht ruinieren. Ich geh doch gerade zur Arbeit.«
    »Ah!«, sagte Polly. »Das hätt ich ja beinah vergessen!« Sie überreichte mir eine CD in einer neutralen Verpackung. »Das ist ein Vorausexemplar von Hosing the Dolly .«
    »Bitte, was?«
    »Kannst du nicht wenigstens versuchen, mit der Zeit Schritt zu halten? Hosing the Dolly! Das neue Album von Strontium Goat. Kommt erst im November heraus. Ich dachte mir, Friday freut sich darüber.«
    »Es ist wirklich voll cool, Mann«, sagte meine Mutter. »Auf dem zweiten Track gibt’s ein Gitarren-Riff, das mich stark an Fridays letzten Auftritt erinnert hat. Meine Zehen haben gekribbelt! Aber vielleicht waren auch bloß meine Schuhe zu eng. Die Großmutter von Wayne Skunk ist Mrs Arbuthnot – du weißt schon: die putzige alte Dame, die ihre Ellenbogen in beide Richtungen klappen kann. Er hat sie ihr letzte Woche geschickt.«
    Ich betrachtete die CD. Friday würde sich wirklich darüber freuen. Da war ich mir sicher.
    »Und weißt du«, sagte Polly mit einem vertraulichen Zwinkern. »Du brauchst ihm ja nicht zu sagen, wo du sie herhast. Ich weiß doch, wie Teenager sind, und ein bisschen Respekt vor den Eltern kann ja nicht schaden ...«
    »Ich danke dir sehr«, sagte ich, und das war mein voller Ernst. Diese CD war besser als Bargeld.
    »Gut!«, sagte meine Mutter. »Hast du Zeit für eine Tasse Tee und eine Scheibe Battenberg?«
    »Nein, danke – ich muss nur was aus der Werkstatt abholen.«
    »Willst du nicht wenigstens ein Stück Kuchen mit ins Büro nehmen?«
    »Danke, nein, ich habe gerade gefrühstückt.«
    Es klingelte an der Haustür.
    »Juhu!«, sagte Polly und spähte vorsichtig aus dem Fenster. »Sieht aus wie ein Marktforscher!«
    »Na, dann!«, sagte meine Mutter in militärischem Tonfall. »Mal sehen, wie lange wir den hier festhalten können, ehe er schreiend davonläuft. Ich tue so, als wäre ich leicht dement, und du beschwerst dich über dein Ischias – aber bitte auf Deutsch! Unser persönlicher Rekord im Marktforscher-Foltern steht bei zwei Stunden und zwölf Minuten.«
    Ich schüttelte traurig den Kopf. »Wann werdet ihr beide bloß endlich erwachsen?«
    »Du bist immer so eine Spaßbremse, Schatz«, sagte meine Mutter kopfschüttelnd. »Wenn du mal so alt bist wie wir, freust du dich auch über jede Abwechslung. Man muss das Beste aus den Dingen machen!«
    Ich murmelte was von Fernsehserien, Töpfern und Korbflechten und ging in die Küche. Marktforscher-Foltern kam mir gemein vor, aber wenn’s ihnen Spaß machte ...
     
    Ich ging zur hinteren Tür hinaus durch den Garten und betrat den Holzschuppen, in dem mein Onkel Mycroft sein Laboratorium hatte. Ich knipste das Licht an und betrachtete meinen Porsche, der etwas verloren unter einer Abdeckplane versteckt war. Er war seit dem Unfall vor über fünf Jahren noch immer nicht repariert worden. Der Schaden war gar nicht so groß, aber Ersatzteile für einen 356er waren sehr teuer geworden, und wir hatten einfach nicht das Geld, um sie zu bezahlen. Ich griff unter das Armaturenbrett und machte die Kofferraumverriegelung auf. Ich hatte eine Reisetasche mit 20.000 walisischen Tocyns unter der Haube des Porsche versteckt. Auf dieser Seite der Grenze waren sie nicht viel wert, aber in Merthyr hätte man dafür ein schönes Einfamilienhaus kaufen können. Natürlich hatte ich nicht die Absicht, in die Sozialistische Republik Wales zu ziehen. Ich brauchte das Geld für ein Käsegeschäft. Ich holte die Tasche heraus, überprüfte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher