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Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)

Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)

Titel: Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)
Autoren: Gerd Bosbach , Jens Jürgen Korff
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Prolog
Kriminelle Zahlen
    Geschätzte Leserin, geschätzter Leser, bitte raten Sie mal: Wo ist das gefährlichste Pflaster der Welt? Welche Stadt hat die höchste Kriminalitätsrate?
    New York? Nein, New York hat sich aus dieser Spitzengruppe schon lange verabschiedet.
    New Orleans? Rio de Janeiro? Kairo? Kapstadt? Bagdad?
    Ja, Sie kommen der Weltmetropole des Verbrechens immer näher.
    Vielleicht Mogadischu? Ciudad de Juárez?
    Respekt! Da kennt sich jemand in den Abgründen der Welt aus. Diese beiden Städte streiten sich tatsächlich um den Spitzenrang der Welt bei den Morden. Wir meinen aber hier die gesamte Kriminalität, einschließlich Diebstahl und Betrug.
    Und da ist der Spitzenreiter die Città del Vaticano, die Vatikanstadt! Das musste uns der päpstliche Generalstaatsanwalt Nicola Picardi auch für das Jahr 2009 wieder einmal vermelden. 1
    Wie ist das möglich?
    Das liegt an der Definition: Die Anzahl der ermittelten Delikte (beziehungsweise der eingeleiteten Strafverfahren) in einer Stadt geteilt durch deren Einwohnerzahl ergibt die Kriminalitätsrate. Bei rund 18 Millionen Pilgern und Touristen, die jährlich den Vatikan aufsuchen, kommt es auch zu vielen
Diebstählen, Betrügereien und Ähnlichem. Und die werden in dieser Rechnung auf die knapp fünfhundert offiziellen Einwohner der Vatikanstadt umgelegt. Leider ist dieses Beispiel für Irreführung durch Statistik kein theoretisches. Beim Berechnen der sogenannten Ausländerkriminalität verfahren deutsche, österreichische und Schweizer Nationalisten auf dieselbe Art: Sie legen alle von ausländischen Touristen begangenen Diebstähle auf die ansässige Bevölkerung um und tun rechnerisch so, als hätten die ansässigen Bürger ausländischer Herkunft diese Taten begangen.
    Sie glauben, auf so etwas fallen Sie nicht herein? Schau’n wir mal! Stellen Sie sich vor, Sie bekommen sechs Wochen lang jede Woche einen Werbebrief eines Anlageberaters, jedes Mal mit einem Aktientipp für die nächsten Tage, und jedes Mal kann der Folgebrief berichten: Unser Tipp letzte Woche war richtig, die Aktie X ist tatsächlich gestiegen (oder gefallen). Wen würden Sie danach als Erstes fragen, wenn Sie mit Aktien spekulieren wollten? Sechs Treffer hintereinander – das kann doch kein Zufall sein!
    Tja, reingefallen! Das kann nämlich doch eine Art Zufall sein. Welche Art, werden wir Ihnen gleich erklären. Davor schauen wir uns, natürlich fiktiv, eine Liste der Entscheidungen an, die Sie letztes Jahr getroffen haben. Da finden wir zum Beispiel so etwas: Aufgrund einer Statistik über die Schadstoffe haben Sie Produkt A vorgezogen, und Versicherung B hat Sie mit ihren »Fakten« überzeugt. Bei der Übersicht über die Gebühren war der Handy-Anbieter C Ihr Gewinner. Dazu kommt eine Liste von Entscheidungen anderer, die Sie später ausbaden mussten: Ihr Arzt kannte die beste Therapie nicht, weil deren Entwickler, ein kleiner Fisch, die Vorteile nicht geschickt genug »nachgewiesen« hatte. Große Pharmakonzerne haben dafür einen ganzen
Stab von Fachleuten. Die Regierung hat Ihnen eine Sozialleistung weggekürzt, weil gewisse Experten ihr vorgerechnet haben, dass ohne diese »Reform« Deutschland spätestens 2030 nicht mehr konkurrenzfähig sei. Bei all diesen Entscheidungen spielten Statistiken eine wichtige Rolle.
    Jetzt aber zur Auflösung der rätselhaften Aktientipps! Der Anlageberater hat einfach Folgendes gemacht: In der ersten Woche hat er 16 000 Briefe verschickt mit dem Tipp: Aktie X wird steigen. Und 16 000 Briefe mit dem Tipp: Aktie X wird sinken. An die 16 000 Adressen, die den richtigen Tipp bekommen hatten, hat er danach 8000 Briefe verschickt mit dem Tipp: Aktie Y wird steigen. Und 8000 Briefe mit dem Tipp: Aktie Y wird sinken. Und so weiter. Am Ende der Übung blieben 500 Adressaten übrig, die sechsmal hintereinander den richtigen Tipp bekommen hatten. Der Zufall liegt darin, dass Sie zu diesen letzten 500 gehörten. Das wollen wir aber nur als Zahlenspiel verstanden wissen, als eine Art »Wunder der Statistik«. In Wirklichkeit ist dieses Szenario unwahrscheinlich, weil eine solche Beratungsfirma außer den Kosten der Werbebriefe auch die negative Imagewirkung der vielen falschen Prognosen berücksichtigen muss.
    Wie kommt es eigentlich, dass so viele Menschen gleich Ja und Amen sagen, sobald jemand exakte Zahlen in den Raum wirft? Es ist immer wieder verblüffend: Sagen wir, dass im Jahre 2050 etwa jeder Dritte in Deutschland fünfundsechzig und
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