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Irgendwo ganz anders

Irgendwo ganz anders

Titel: Irgendwo ganz anders
Autoren: Jasper Fforde
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verbuddeln.«
    Dabei dachte ich an das Debakel in Cornwall, wo in den Sechzigern 40.000 Tonnen Schwachsinn in alten Bergwerksschächten eingelagert worden waren. Zwanzig Jahre später war das Material prompt wieder an die Oberfläche gekommen und hatte die Einwohnerschaft zu gefährlichen Idiotien veranlasst. Zu Dutzenden hatten sich die Leute in der Badewanne die Haare geföhnt oder einen Mittelscheitel gekämmt.
    »Wie wäre es, wenn die Bewohner der Britischen Inseln alle gleichzeitig irgendwelchen Internet-Betrügern ihre Bankdaten und Geheimnummern schicken würden?«, sinnierte Landen. »Oder in irgendwelche Gruben hineinfallen?«
    »In Frankreich hat man ein massenhaftes Gegen-den-nächsten-Laternenpfahl-Rennen versucht, um La Dette Idiote zu vermindern«, sagte ich. »Aber dieser Plan war so offensichtlich vernünftig, dass die Leute am Ende nur Beulen davontrugen, ohne dass sich die Dummheit ernstlich verringert hätte.«
    Landen trank einen Schluck Kaffee, faltete die Zeitung auf, um den Rest der Seite zu lesen, und sagte geistesabwesend: »Ich bin deinem Vorschlag gefolgt und hab meinem Verleger ein Exposé für diesen Ratgeber geschickt.«
    »Wem soll der denn helfen?«
    »Na ja, mir und meinem Verleger, würde ich sagen. Ist das nicht das Übliche? Es sieht ziemlich einfach aus. Wie findest du: Männer sind von der Erde und Frauen auch – Lernt, damit fertig zu werden. Ist das ein guter Titel?«
    Er sah mich an und lächelte. Ich lächelte zurück. Ich liebte ihn nicht nur, weil er groß war, ein schönes Knie hatte und mich zum Lachen brachte, sondern weil wir Teil eines Ganzen waren und uns ein Leben ohne den anderen nicht vorstellen konnten. Ich wünschte, ich könnte es besser ausdrücken, aber ich bin kein Poet. Im Privatleben war er mein Ehemann und der Vater unserer größtenteils prächtigen Kinder, und beruflich war er ein Schriftsteller. 1988 hatte er mit seinem Roman Schlechtes Sofa den Armitage-Shanks-Preis für erzählende Prosa gewonnen, aber seither hatte eine Reihe von Flops die Beziehungen zu seinem Verleger erheblich belastet. Neuerdings durfte er nur noch Point-of-Sale- Klassiker wie Die niedlichsten Kätzchen oder Lustiger Kindermund schreiben. Wenn er nicht an diesen Dingen arbeitete, beaufsichtigte er unsere Kinder oder schrieb an seinem Opus magnum, das ein richtiger Bestseller werden sollte. Leicht war es nicht, aber das war nun einmal sein Leben, und da ich ihn liebte, lebten wir von meinem Gehalt, das noch ein wenig kleiner als Pickwicks Gehirn war.
    »Hier, das ist für dich«, sagte Landen und schob ein kleines, in rosa Papier gewickeltes Päckchen über den Tisch.
    »Aber Liebling«, sagte ich ärgerlich und glücklich zugleich. »Ich feiere doch meine Geburtstage nicht.«
    »Ich weiß«, sagte er, ohne den Kopf zu heben, »du musst dich mir zuliebe freuen.«
    Ich wickelte das Päckchen aus und fand ein kleines Medaillon an einer silbernen Kette. Ich trage eigentlich keinen Schmuck, aber Landen ist mir sehr wichtig, und deshalb hielt ich brav meine Haare hoch, damit er mir die Kette um den Hals legen konnte. Ich bedankte mich und gab ihm einen Kuss, den er erwiderte. Und weil er wusste, dass ich Geburtstage hasste, wechselte er sofort das Thema.
    »Ist Friday schon auf?«
    »So früh am Tag?«
    Friday war unser Ältester. Er war jetzt sechzehn, und statt sich auf eine Karriere bei der Elite der Zeitindustrie, der ChronoGarde, vorzubereiten, gab er sich alle Mühe, dem Klischee eines mürrischen Teenagers zu entsprechen. Er grunzte und maulte bei der kleinsten Bitte, lag bis Mittag im Bett und gammelte dann in einem Zustand herum, der einem Karriere-Zombie alle Ehre gemacht hätte. Dass er bei uns wohnte, hätten wir vielleicht gar nicht gewusst, wenn nicht ab und zu schmutzige Cornflakes-Schüsseln in der Nähe der Spüle aufgetaucht wären. Den dumpfen Heavy-Metal-Rhythmus aus Fridays Zimmer hielt Landen für nützlich. Er glaubte, er würde die Schnecken aus unserem Garten vertreiben. Ab und zu erschienen auch irgendwelche muffligen jungen Schlafmützen an unserer Tür und murmelten: »Ist Friday zu Hause?« Worauf ich sagte: »Darüber kann man nur spekulieren.«
    »Wann geht er wieder zur Schule?«, fragte Landen, der sich zwar täglich um die Kinder kümmerte, aber wie so viele Männer Probleme damit hatte, wenn er sich einen Termin merken sollte.
    »Nächsten Montag«, erwiderte ich und holte die Post, die gerade durch den Briefschlitz gefallen war. »Er hat wirklich
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