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023 - Der grüne Bogenschütze

023 - Der grüne Bogenschütze

Titel: 023 - Der grüne Bogenschütze
Autoren: Edgar Wallace
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1.
     
    Spike Holland tippte das letzte Wort seines Artikels, warf das vollgeschriebene Blatt schwungvoll über den Tisch und knallte den Deckel auf die klapprige Schreibmaschine.
    Der Reporter, der ihm gegenübersaß, schaute auf.
    »Nanu, eine tolle Sache geschrieben, Spike?«
    »Über die gestrige Hundeausstellung«, antwortete Spike so würdevoll wie möglich. »Dabei weiß ich von Hunden nur so viel, daß das eine Ende bellt und das andere wedelt. Natürlich hat mich Syme darauf gehetzt, weil, wie er obendrein versicherte, ein Kriminalreporter auch etwas von Bluthunden verstehen sollte! Der Mann ist wirklich nicht ganz richtig im Kopf - legt man ihm triumphierend die semmelfrische Geschichte eines großartigen Bankraubes vor, dann springt er einem mit der idiotischen Zumutung ins Gesicht, warum man die Lieblingsspeise des Bankdirektors nicht erwähnt habe.«
    Der andere Reporter lehnte sich behaglich auf seinem Stuhl zurück.
    »Das ist hierzulande nun mal so. Im Vergleich zu den Amerikanern sind unsere Landsleute unglaubliche Dickschädel.«
    »Sie können jede Wette eingehen, daß die Leute drüben genauso beschränkt sind wie in England«, widersprach Spike. »Sie sind, hier wie dort, völlig unfähig, das Leben vom Standpunkt eines Berichterstatters aus zu sehen, und sie haben alle einen Klaps.«
    Er seufzte tief und legte mit großartiger Selbstverständlichkeit seine Füße auf den Tisch. Spike war noch jung. Sein sommersprossiges Gesicht sah gut aus. Die rötlichen Haare hingen wirr durcheinander.
    »Hundeausstellungen können ja ganz interessant sein ...« begann er gerade wieder, als die Tür heftig aufgerissen wurde und ein Mann in Hemdsärmeln und mit einer überdimensionalen Hornbrille auf der Nase hereinschaute.
    »Spike - brauche Sie! Haben Sie gerade etwas vor?«
    »Ich wollte eben Wood aufsuchen, den Mann mit den Kinderheimen - bin mit ihm zum Essen verabredet.«
    »Na, der kann warten!«
    Syme winkte energisch, und Spike folgte ihm in sein kleines Büro.
    »Haben Sie schon mal etwas von Abel Bellamy aus Chicago gehört - dem Millionär?«
    »Abel? Natürlich - ist er etwa tot?« fragte Spike hoffnungsvoll. »Wenn der Kerl das Zeitliche gesegnet hat, läßt er sich noch zu einer glänzenden Story verarbeiten.«
    »Kennen Sie ihn gut?« fragte der Redakteur.
    »Ich weiß, daß er aus Chicago stammt, Millionen im Baugeschäft verdient hat und ein elender Grobian ist. Seit acht oder neun Jahren lebt er schon in England. Ich glaube, er bewohnt eine richtige Burg - und hat einen tauben Chinesen als Chauffeur.«
    »Besten Dank, das weiß ich auch schon! Was ich erfahren will, ist vorerst folgendes: Gehört Bellamy zu der Sorte Menschen, die gern von sich reden machen? Anders ausgedrückt - ist der grüne Bogenschütze ein wirkliches Gespenst oder seine Erfindung?«
    »Ein Gespenst -?«
    Syme nahm einen zerknitterten Briefbogen vom Tisch und reichte ihn dem Reporter. Die tintenbekleckste Mitteilung stammte offensichtlich von jemandem, der mit der englischen Sprache auf nicht besonders vertrautem Fuße stand.
    ›Lieber Herr,
    der grüne Bogenschütze ist wieder da in Schloß Garre. Mr. Wilks, der Hausmeister, hat ihn gesehen. Der grüne Bogenschütze ist in Mr. Bellamys Zimmer gekommen und hat die Tür offengelassen. Alle Dienstleute gehen weg. Mr. Bellamy sagt, er schmeißt alle 'raus, die davon sprechen, aber sie gehen alle von allein weg.‹
    »Würden Sie mir, zum Donnerwetter, vielleicht sagen, wer der grüne Bogenschütze eigentlich ist?« fragte Spike.
    Mr. Syme schob seine Brille zurecht und lächelte nachsichtig.
    »Der grüne Bogenschütze von Garre Castle galt früher als eine der berühmtesten Geistererscheinungen in England. Darüber brauchen Sie nicht zu lachen, Spike, es ist kein Märchen. Der wirkliche grüne Bogenschütze wurde im Jahre 1487 von einem de Gurcy - diese Familie war damals im Besitz von Schloß Garre - gehenkt.«
    »Was Sie nicht sagen! Ihr Gedächtnis läßt wirklich nichts zu wünschen übrig!« Spike grinste anerkennend.
    »Versuchen Sie nicht, die Sache ins Lächerliche zu ziehen! Er wurde beim Wildern ertappt und gehenkt. Noch heute kann man den Eichenbalken sehen, an dem er hing. Jahrhundertelang spukte er im Schloß, bis er 1799 zum letztenmal gesehen wurde. In Berkshire kennt jedes Kind die Geschichte. Offenbar wurde dieser Brief von einem Dienstmädchen verfaßt, das seine Stellung aufgeben mußte oder aus Furcht davonlief. Jedenfalls kann man daraus schließen,
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