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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
Autoren: Friedrich Glauser
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gesagt, »So mußt du zu den ›Dames de France‹ gehen. Die schenken dir einen neuen Anzug und Wäsche und alles was du brauchst…«
    Das hat Zeit bis am Nachmittag, dachte Lös, als er vor einer Buchhandlung stand. Was gab es für neue Bücher? Ein Titel, in roten Buchstaben auf schneeweißem Grunde leuchtete ihm entgegen. ›Le temps retrouvé‹ – ›Die wiedergefundene Zeit‹. Es war – ja, es war die Fortsetzung der ›Suche nach der verlorenen Zeit‹.
    Und Lös sah eine Baracke – auf den leeren Weinfässern ist die Bühne aufgeschlagen worden… Ein halbes Dutzend Bretter auf fünf Weinfässern…
    »Et puis si par hasard
Tu voyais ma tante…«
    Schallendes Gelächter. In einem Klubsessel lehnt eine Gestalt, der schwere Körper steckt in einer schneeweißen Uniform. Der Weißgekleidete sagt: »Übrigens, große bittere Neuigkeit: Proust ist gestorben…«
    Lartigue! Leutnant Lartigue! Er war vor Lös abgereist – ganz plötzlich, und der neue Capitaine hatte sich schwer geärgert. Und was hatte er zum Abschied gesagt? »Hoffentlich treffen wir uns in Paris, Lös. Hier haben Sie meine Adresse…«
    Lös riß seine Brieftasche heraus, zog einige schmierige Blätter aus einem Fach, suchte, suchte… Da: »Lartigue, 10, Rue Wilhem in Auteuil…«
    Auteuil! Das war das elegante Viertel. Beim Bois de Boulogne. Aber zuerst mußte er sich einen Anzug kaufen, Schuhe… Zweihundert Franken würden nie für einen Anzug langen, aber vielleicht würde ihm Lartigue helfen?
    Eigentlich war es doch schön gewesen in der Legion, dachte er. Gespräche fielen ihm ein – mit Sitnikoff, mit Pierrard, mit Smith, mit Koribout, dem Dichter, – aber vor allem mit Lartigue. Lartigue, der nie den Offizier hervorkehrte, Lartigue der Kamerad, ja, man durfte ruhig das Wort wagen: der Freund! Es war doch ganz gleichgültig, in was für einem Anzug man Lartigue besuchen ging…
    Auteuil…! Lös war in die Buchhandlung getreten und hatte den Proust gekauft. Dann stand er vor einem Plan von Paris und studierte die Linien der Untergrundbahn.
    Die Rue Wilhem war nicht schwer zu finden.
    Geruch nach Staub, nach Lysol, nach erhitzten Schienen. Lös saß in einer Ecke des dröhnenden Wagens und las: »Der Wunsch, der Hunger uns wiederzusehen werden endlich wiedergeboren im Herzen, das augenblicklich uns mißversteht. Nur braucht es Zeit. Und unser Verlangen – was die Zeit betrifft – ist nicht weniger ungeheuerlich als unser Verlangen, das Herz sich ändern zu sehen…«
    Ein ungeheuerliches Verlangen…
    Treppen, die Luft wird dünner, leichter. Wie still die Straßen sind in Auteuil! – Rue Wilhem 4 - 6 - 10…
    Die ›Concierge‹, die das verschlossene Haustor öffnete, sah aus wie eine gepflegte Dame.
    »Monsieur Lartigue?« Die gepflegte alte Dame rümpfte die Nase. Leise meinte sie dann, sie wisse nicht, ob Herr Lartigue zu sprechen sei. »Ein alter Freund will ihn besuchen…« Die alte Dame ließ sich erweichen. »Vierter Stock«, lispelte sie.
    Das Haus war neu, der Lift stieg, stieg – nein er blieb nicht stecken.
    Auch das Dienstmädchen, das öffnete, musterte mißtrauisch Lös' Anzug. »Ich hätte doch zuerst…« dachte er, »wenigstens neue Schuhe kaufen sollen!«
    Ein Salon vollgestopft mit Möbeln. Plüschvorhänge, schlechte, sehr schlechte Ölgemälde. Zahnpasta-Frauenköpfe, Landschaften, Landschaften, Landschaften. Auf dem Klavier Noten: Massenet…
    Dann trat ein Herr in den Raum. Wer war das? Steifer Kragen, grasgrüne Krawatte, violetter Anzug. Aus dem Ärmel zog der Herr ein seidenes Taschentuch – (Lös schnupperte, was war das für ein Parfüm? Chypre? Richtig! Chypre!) wedelte mit dem Tuch, tupfte sich die Stirn, reichte zwei Finger. Dann, in einem Zug:
    »Es tut mir schrecklich leid, lieber Freund, aber ich habe keine Minute Zeit. Wichtige Unterredung, man erwartet mich im Nebenzimmer. – Habe mich nur einen Augenblick frei machen können. – Aber vielleicht ein andermal? Warten Sie. – Heut abend verreise ich für zwei Monate, aber bei meiner Rückkehr, wenn Sie mich anläuten wollen, lieber Freund. – Vielleicht erlauben Sie mir, es geht Ihnen wahrscheinlich nicht gut. – Haben doch schöne Stunden – wenn ich mir gestatten darf – miteinander verlebt. – Einstweilen nehmen Sie wohl dies. – Und selbstverständlich, wenn Sie eine Empfehlung brauchen, stehe ich zu Diensten.«
    Die Salontüre war offen geblieben, sanft aber bestimmt wurde Lös zu dieser Öffnung hin gedrängt, er stand im
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