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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
Autoren: Friedrich Glauser
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Getrappel von Pferden. »Jetzt sind sie da«, sagte der Chef leise. Chabert stöhnte: »Welche Schande, welche Schande!« Die anderen drängten sich zur Tür. Nur Lös blieb sitzen, verlor den Halt und klammerte sich an der Stuhllehne fest. Samotadji saß auf dem Bett des Capitaines, drehte den feuchten Umschlag und legte die kühle Seite auf Chaberts Stirn.
    Im Hofe der Verpflegung war das Strohfeuer herabgebrannt. Die Sterne legten einen sanften Schein auf die kämpfende Masse. Die grauen Mäntel der Gums flatterten. Alles ging jetzt lautlos vor sich, die Fliehenden schrien nicht, warfen ihre Waffen fort, die Türe der Baracken schluckten die Laufenden. Durch das Tor des Postens schritt eine hohe Gestalt, waffenlos. Hinter ihr hüpfte ein dünner weißer Zwerg, der zischende Laute ausstieß. Die hohe Gestalt wandte sich nicht um. Sie war barhäuptig und ihr schwarzes Haar glänzte ölig im schwachen Licht. Nun verschwand der weiße Zwerg und einsam schritt die Gestalt weiter, gelangte an den Fuß der Treppe, erstieg sie langsam. Die Zuschauer drängten ins Zimmer zurück. Capitaine Materne trat ein. Seine trägen Augen musterten die Anwesenden. Schließlich blieben sie an der Gestalt auf dem Bette haften. Schweigen.
    »Sie können disponieren, Lartigue«, sagte Materne schleppend, ohne die Blicke vom Bett zu lassen.
    Schweigend verließen alle den Raum. Lös wurde von Sitnikoff gestützt. Unten angelangt wollten sich die beiden verabschieden. Aber Lartigue hielt sie zurück. »Kommen Sie doch mit. Ich bin zu aufgeregt, um schlafen zu können.«
    In Lartigues Zimmer waren nicht genug Stühle vorhanden. Lös durfte sich aufs Bett legen. Der Leutnant schenkte Schnaps ein, bot Zigaretten an. Dann setzte er sich auf die Bettkante und sprach leise.
    »Sehen Sie die Entwicklung, Lös? Im Grunde sind Sie an allem schuld. Nun ja, das Ganze war amüsant, amüsanter als tragisch. Ein guter Redner, dieser Kraschinsky. Haben Sie schon erfahren, daß Farny tot ist? Ja, er ist plötzlich umgefallen. Aber wissen Sie, Lös, daß Sie wirklich eine schwere Schuld zu tragen haben? An dem Tode Ihres Hundes, an der Ermordung Seignacs, an dem ganzen Aufruhr? Lächeln Sie nicht, oder gut, lächeln Sie, das zeigt mir, daß Sie über den Berg sind. Wieso? fragen Sie.« Lös hatte nichts gefragt, auch gelächelt hatte er nicht. Aber der Leutnant brauchte rhetorische Zwischenfragen. Die anderen lauschten aufmerksam. Koribouts saugende Augen leuchteten aus einer Ecke. »Sie, Sie allein haben Blut in den Posten gebracht, Blut und Zerstörung. Sich selbst haben Sie zerstören wollen, Ihr Blut haben Sie vergossen. Wissen Sie, welche Wellen unsere Taten werfen?« Das zweideutige Pathos Lartigues wirkte auf alle erregend. Sitnikoff erhob sich und begann im Zimmer auf und ab zu schreiten. Ackermanns glänzende Augen waren auf Lartigues Mund gerichtet, mit dem Ausdruck eines Kindes, dem man schöne Märchen erzählt.
    »Sie wissen es nicht, zu Ihrem Glück! Gerade so wenig, wie Ihr verwundeter Freund die Magie der Worte gekannt hat. Warum nannte er sich Todd? Tod?« Der Leutnant sprach französisch, er dehnte das fremde Wort, übersetzte es für sich, murmelnd. »Sehen Sie, im Spielen mit dem Tode und dem Blute liegt eine böse Zauberei. Zuerst ist Ihr Hund geopfert worden. Dann hat das Opfer nicht genügt. Das Feuer ist aufgeflammt, wie ein Strohhaufen. Oh, das Symbol. Grobe Symbole… feine Symbole. Überall sehe ich Symbole. Natürlich, in juristischem Sinne sind Sie unschuldig. Ob in einem anderen auch? Ich weiß es nicht. Wie jener möchte ich Ihnen sagen: Gehe hin und sündige nicht mehr. Es war ein Meisterstück von ihnen, heut abend aufzustehen. Der Alte wird Ihnen das nicht vergessen. Und solange er noch die Kompagnie führt, kann er viel für Sie tun. Wir können also annehmen, daß unser Freund hier außer Gefahr ist«, wandte er sich an die anderen. »Auch ich bleibe nicht länger. Wahrscheinlich werde ich Chabert nach Frankreich begleiten müssen. Denn ich habe keine Sehnsucht, die Zeit der Reaktion, die nun hier folgen wird, mitzumachen. Vielleicht treffe ich Freund Lös in Paris. Denn daß er auf Reform geht, halte ich für sicher. Der Alte wird alles dafür tun, vor seiner Abreise. Sprechen wir leise, der Arme schläft. Mit Ihnen, Sitnikoff, habe ich noch eine Zwiebel zu häuten, wie man bei uns sagt: Warum lesen Sie die ›Garçonne?‹ ich verstehe Sie nicht!« Und zweideutig, wie sein Pathos, war auch die literarische Moralpredigt,
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