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Eine italienische Kindheit

Eine italienische Kindheit

Titel: Eine italienische Kindheit
Autoren: Roberto Zapperi
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Vorwort
    Dies ist kein historisches Buch wie die anderen, die ich geschrieben habe. Dennoch hat dieses Buch mit Geschichte zu tun, mit der Geschichte des Zweiten Weltkriegs, der den Rahmen meiner kindlichen Erfahrungen bildete und die Erlebnisse, die in meinem Gedächtnis aufbewahrt sind, entscheidend mitbestimmte. In dem Sinn, dass ich keine erfundenen, sondern reale Vorfälle erzähle, ist aber auch dieses ein historisches Buch. Nur habe ich, um es schreiben zu können, nicht in Archiven geforscht, sondern mich auf ein Archiv eigener Art verlassen, das Archiv meines Gedächtnisses. Dies habe ich auf jede Weise zu stimulieren versucht und ihm langsam und geduldig, Fragment für Fragment, die Geschichten meines früheren Lebens entlockt. Obwohl ich mich dabei um größte Genauigkeit bemüht habe, bleibt doch ein gewisser Grad von Unsicherheit zurück. Ich bin mir der Gefahr des Irrtums bewusst, doch muss ich dieses Risiko eingehen, wenn ich jene Zeit wieder heraufbeschwören will. Da ich mit meiner Kindheit beginne und mich vor allem mit dieser Zeit meines Lebens beschäftige, betreffen meine Erinnerungen natürlich sehr weit zurückliegende Geschehnisse. Einige Vorfälle sind mir auch nach den vielen Jahren, die inzwischen vergangen sind, stets lebendig vor Augen geblieben, da ich mich im Laufe des Lebens oft wieder an sie erinnert habe. Andere Erinnerungen habe ich erstjetzt mühsam und nicht ohne Verwunderung wiedergewonnen. Ich bin mir natürlich bewusst, dass diese Sicht auf meine Kindheit eine sehr persönliche ist.
    Während des Zweiten Weltkriegs durchzogen Italien verschiedene fremde Armeen, doch nur eine hat eine tiefe Spur in meiner kindlichen Vorstellungswelt hinterlassen – die deutsche. Die Folge davon war, dass Deutschland und die Deutschen einen starken Einfluss auf mein Leben gewannen, weshalb sie in diesem Buch auch ständig vorkommen. Ich möchte schließlich darauf hinweisen, dass meine persönlichen Erinnerungen nicht anderweitig verifizierbar sind. Die allgemeinen historischen Ereignisse sowie die zeitlichen und örtlichen Angaben habe ich jedoch anhand der einschlägigen Literatur überprüft. Ein Verzeichnis der wichtigsten Titel findet sich am Ende des Buchs. Es handelt sich also bei diesen Erinnerungen nicht um eine Autobiographie im engeren Sinne, das heißt um einen genauen Rechenschaftsbericht meines Lebens in chronologischer Reihenfolge. Zwar werden Personen und Ereignisse der Vergangenheit nur dann erwähnt, wenn sie für die Geschichte oder die Geschichten, die ich erzähle, bedeutsam sind. Aber es handelt sich doch um die Erinnerungen eines Historikers, der darauf bedacht ist, die eigenen Erfahrungen in den weiteren Rahmen der allgemeinen Ereignisse zu stellen.
    Ich schreibe diese Erinnerungen in dem Vertrauen auf, dass sie auch anderen etwas bedeuten mögen.
    Rom, im März 2011

1. Catania
    Ich kam 1932 in Catania, der sizilianischen Stadt am Fuß des Ätnas, zur Welt. Der «Große Berg», wie die Bewohner von Catania den Ätna nannten, ist der größte noch tätige Vulkan in Europa und erhebt sich 3300 Meter über dem Meeresspiegel. Auf griechisch bedeutet Ätna «brennender Berg». Die Araber hingegen, die Sizilien im frühen Mittelalter eroberten, nannten ihn einfach nur «gebel», den Berg, aus welchem Wort sich die später aufkommende Bezeichnung «Mongibello» herleitet, die zusammengesetzt ist aus dem italienischen «monte» und dem arabischen «gebel» – eine Wortverdoppelung also, die den Vulkan zum Berg der Berge machte. Der Ätna ist tatsächlich das gewaltigste Bergmassiv in Sizilien und beeindruckt nicht nur durch seine Höhe, sondern auch durch die Ausdehnung und die Komplexität seiner Oberfläche. Kein Wunder also, dass ihn Sagen umranken. Der griechische Philosoph Empedokles soll sich der Legende nach in den Kraterschlund gestürzt haben, der Stauferkaiser Friedrich II. im Mongibello auf seine Wiederkunft harren.
    1669 wurde Catania bei einem schweren Ausbruch des Vulkans fast völlig zerstört; der hervorquellende Lavastrom, der sich bis ins Meer wälzte, begrub die Stadt zum größten Teil unter sich. Noch verheerender war das Erdbeben von 1693, bei dem zwei Drittel der Bevölkerung ums Leben kamenund die Stadt aufs neue schwere Schäden davontrug. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde Catania dann nach den Plänen des Architekten Giovanni Battista Vaccarini wieder aufgebaut. Dieser umschloss das Stadtgebiet mit vier geraden Linien, so dass die Altstadt heute die
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