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Das boese Blut der Donna Luna

Das boese Blut der Donna Luna

Titel: Das boese Blut der Donna Luna
Autoren: Rosa Cerrato
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I
    Die löcherige Schotterstraße – kaum mehr als ein Weg – lag noch im Schatten. Die Luft war erträglich, wenn auch alles andere als frisch. Über der Stadt, die sich wie ein Amphitheater über dem Meer und dem Hafen erhob, hing feiner, regloser Dunst. Selbst die soeben aufgehende Sonne schien blass und trüb. Auf dem räudigen Gestrüpp, den ausgedörrten Bäumen und Büschen, die Hang und Böschung überwucherten, lag feiner, goldfarbener Staub. Goldfarbener Sand. Ein dumpfes Raunen stieg aus dem weiten, von der Autobahn durchschnittenen Tal empor.
    Wüstenwind. Hat die ganze Stadt mit Staub bedeckt.
    Die Frau in weißem Trikot und abgetragenen blauen Trainingshosen trabte in gemächlichem Rhythmus den sanft ansteigenden, unbefestigten breiten Weg entlang, der auf halber Talhöhe rechts von der Straße durch Righi zur »Trattoria delle Baracche« hoch über dem Bisagno-Tal führte. Zu beiden Seiten Bergvegetation, mal dichter, mal spärlicher, Ginsterbüsche, Disteln, Lorbeer, Myrthe, Strandkiefern. Ein Geländewagen hätte ihn mühelos entlangfahren können, doch hauptsächlich wurde er von Fußgängern genutzt, mehr oder weniger einsamen Wanderern, Jägern oder Hundebesitzern. Eine ideale Joggingstrecke, vor allem zu dieser Tageszeit. Es war sechs Uhr morgens an einem Montag, der genauso drückend heiß zu werden drohte wie die Tage zuvor. Bald würde die Sonne erbarmungslos vom Himmel brennen und ganz Genua in ihrer glühenden Umarmung gefangen halten.
    Ein Glück, dass ich mich heute Morgen dazu durchgerungen habe, ein bisschen zu laufen, sonst hätte ich den ganzen Tag im Präsidium in meinem eigenen Saft gebrodelt. Und ich dumme Kuh hab mir erst im September Urlaub genommen.  Kommissarin Nelly Rosso schnaufte, schweißüberströmt.
    In dem Moment hörte sie ein Geräusch, das von jenseits der nächsten Kurve zu kommen schien. Instinktiv legte sie einen Schritt zu.
    Hinter der Biegung kauerte ein kräftig gebauter Mann am Wegrand. Beim Näherkommen sah sie, dass er sich übergeben hatte. Als er ihre eiligen Schritte hörte, fuhr er mit einem angstvollen Ausdruck auf seinem breiten, verschwitzten Gesicht herum und stieß einen unverständlichen Laut aus. Er versuchte aufzuspringen, stolperte jedoch und riss schützend die Arme über den Kopf.
    »Was ist mit Ihnen? Kann ich Ihnen helfen?«, fragte die Kommissarin, doch als sie die Hand nach dem jungen Mann ausstreckte, wich dieser panisch zurück. Was war ihm bloß zugestoßen? Sie kramte in ihrer Gürteltasche nach dem schwarzen Mäppchen mit ihrer Dienstmarke und dem Ausweis, das sie stets bei sich trug, und hielt es ihm unter die Nase.
    »Was ist denn? Hast du Angst vor mir? Ich bin von der Polizei«, sagte sie und wechselte dabei, weil der Kerl so jung war, automatisch zum vertraulicheren Du. Das Wort Polizei zeigte unmittelbare Wirkung. Der panische Ausdruck im Gesicht des jungen Mannes wich einer lauernden Achtsamkeit. Er legte die Hand an die Brust, atmete mehrmals tief durch und versuchte, einen verständlichen Satz herauszubringen.
    Nelly runzelte die Stirn und musterte ihn genauer. Der junge Mann war groß und kräftig, mit Speckröllchen auf den Hüften und mit schlaffen Muskeln bepackt.  Vielleicht ist er gejoggt und hat sich plötzlich schlecht gefühlt. Er ist zwar jung, aber bei der Körperfülle und dieser Schwüle ...  Die Situation fing an, ihr auf die Nerven zu gehen. Der Kerl klappte den Mund auf und zu, um etwas zu sagen, doch vergeblich. Endlich rang er sich ein hilfloses »Da hinten ...« ab, deutete mit einer Kopfbewegung auf ein dichtes Ginstergestrüpp wenige Meter oberhalb des Weges und vergrub das Gesicht in den Händen.
    Energisch kletterte sie zu der Stelle hinauf, die offenbar etwas mit dem Schockzustand des jungen Mannes zu tun hatte. Ein dichter Fliegenschwarm surrte über etwas, das sie noch nicht sehen konnte. Ein altbekannter, süßlicher Geruch stieg ihr allarmierend in die Nase.  O Gott, lass es bitte keine ... Leiche sein . Nelly seufzte resigniert.
    Zuerst sah sie die Beine – dunkel, schwarz, ebenfalls bedeckt von dem goldenen Sandstaub. Die Frau lag auf dem Bauch, die Beine seitlich angewinkelt. Sie trug naturlederne Flipflops und einen extrem kurzen roten Rock, der kaum ihren Hintern bedeckte. Man konnte sehen, dass sie keinen Slip anhatte. Das verdorrte Gras verdeckte sie halb. Ein winziges Lurex-Top, die Arme verschränkt unterm ... Jetzt begriff Nelly, was mit dem Mann los war. Die Arme waren
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