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Das boese Blut der Donna Luna

Das boese Blut der Donna Luna

Titel: Das boese Blut der Donna Luna
Autoren: Rosa Cerrato
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müssen die Mädchen astronomische Summen blechen. Wenn sie nicht spuren, gibt’s Saures. Wenn sie Kinder haben, hier oder in der Heimat, sind sie noch erpressbarer. Ein paar besonders Furchtlose schaffen es, selber Madames zu werden und andere auszubeuten. Wir haben zahlreiche Fahndungsfotos von denen, die uns während der Razzien ins Netz gegangen sind, aber in diesem Fall nützen sie uns wenig«, schloss er und tippte sich vielsagend an den Kopf.
    »Stimmt. Aber wir werfen trotzdem einen Blick darauf.«
    Nelly seufzte. Die Identifizierung des Mädchens würde nicht einfach werden. Doch sie irrte sich.
    »Verdammt noch mal, Nelly, schau dir die hier an. Die hat genau so ein Lurex-Top an wie unsere.«
    Aufgeregt zeigte Marco auf ein Foto. Und tatsächlich trug das als Halbfigur abgelichtete Mädchen mit dem breiten, wachen Gesicht und den großen, ausdrucksvollen Augen das gleiche Oberteil wie die Tote.
    »Die? Die heißt ... wartet mal ... Paulette N’diaye, aus dem Stall von Claire Ngoro, einer der bekanntesten Madames, zumindest, was uns betrifft. Wir sind schon seit einer ganzen Weile an ihr dran, doch bisher ist sie uns immer durch die Lappen gegangen. Aber ehrlich gesagt quellen die chinesischen Klamottenhöker von diesen knappen Glitzertops geradezu über. Die sind momentan total angesagt, nicht nur unter Prostituierten, bei der Hitze ... Außerdem ist dieses Mädchen hier nicht dabei, weil sie nachweislich eine Prostituierte ist, sondern weil sie bei Claire wohnt. Sie hat noch keine Aufenthaltsgenehmigung, ist ohne geschnappt worden, und wenn sie sich nicht in den nächsten paar Tagen eine besorgt, muss sie das Land verlassen und nach Hause fahren. Oder hätte sie müssen, sollte sie denn euer Opfer sein. Am besten reden wir ein paar Takte mit Madame, ich begleite euch gern.«
    Madame Claire Ngoro wohnte in der Via del Campo, doch mit der  graziosa  aus De Andrés Lied hatte sie nicht das Geringste gemein. Sie war groß, rund und stattlich. Ihrer Landestracht entsprechend trug sie einen in Gelb-, Rot- und Grüntönen leuchtenden »Kaftan«, wie Nelly das weite Gewand in ihrer Unwissenheit betitelte, und dazu große, auffällige Ketten und Ohrringe. Sie wirkte weder jung noch alt. Vierzig? Fünfzig? Nelly vermochte es nicht zu sagen. Laut ihrer Akte war sie einundfünfzig. Ihr Haar wurde von einem kunstvoll gebundenen Turban aus dem gleichen Stoff wie ihr Gewand gehalten. Ihr schwarzes Gesicht verriet keine Regung.
    Sie hatte die drei Polizisten hereingelassen, sie aufgefordert, sich zu setzen, und selbst auf einem mit großen bunten Kissen bestückten Korbsofa Platz genommen. Mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln auf den üppigen Lippen und ohne ein einziges Mal die Lider zu senken, sah sie sie aufmerksam an. Nelly ließ den Blick durch die geräumige Wohnung im letzten Stock eines baufälligen Mietshauses wandern, das der Sanierung bislang entgangen war. Es gab wenige Möbel, viele Matten, bunte Teppiche, grimmige Masken an den Wänden und afrikanische Skulpturen, Waffen und Musikinstrumente, vornehmlich Trommeln, in jeder Ecke.
    »Etwas zu trinken, Signori?«
    Claire sprach korrektes Italienisch mit exotischem Akzent. Wie sie mit ihrem Turban in den Kissen lehnte, strahlte sie Kraft und Würde aus. Sie war auf ihrem Territorium. Die Polizisten waren die Eindringlinge. Fattori kam gleich zur Sache.
    »Madame Claire, kennen Sie dieses Mädchen?«
    Mit herablassender Geste griff Madame Claire nach dem Foto und widmete sich seiner Betrachtung. Dann hob sie den Blick und sah ihn fragend an.
    »Und der Kopf?«
    »Der Kopf fehlt. Genau das ist unser Problem. Doch wir glauben, dass es sich um eine Ihrer ... Schützlinge handelt, um eine gewisse Paulette N’diaye, die Italien in wenigen Tagen hätte verlassen müssen, da sie keine Aufenthaltsgenehmigung besitzt. Erinnern Sie sich?«
    »Und ob ich mich erinnere. Paulette ist meine Nichte, ein tüchtiges Mädchen, das hierhergekommen ist, um zu arbeiten, und ihr habt sie ohne Grund festgenommen und wollt sie fortschicken.«
    Die Wut in Claires tiefer Stimme war nicht zu überhören.
    »Vielleicht ist sie schon weg, Madame Claire. Im Jenseits. Seit wann haben Sie sie nicht mehr gesehen? Wissen Sie, wo Paulette ist?«
    Die Frau schien zu überlegen. Dann sagte sie sehr langsam: »Gestern Abend ist sie nicht nach Hause gekommen. In ihrem Zimmer ist sie nicht. Ich habe gedacht, sie sei ... abgehauen, hätte sich aus Angst, Italien verlassen zu müssen, versteckt.
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