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Große Liebe Desiree

Titel: Große Liebe Desiree
Autoren: Mirinda Jarett
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PROLOG
    Ärmelkanal November 1797
    Im Krieg gab es keinen Platz für Gefühle. Einige Männer überlebten, andere nicht. Als Jack am Nachmittag die Kapitulation der angeschlagenen französischen Schaluppe vor Seiner Majestät Fregatte Aurora beobachtet hatte, hatte er das Bedürfnis verspürt, Gott dafür zu danken, einmal mehr einen weiteren Tag verschont geblieben zu sein.
    Jetzt schritt er auf dem Achterdeck der Aurora hin und her, allein in der Finsternis, die mit dem tintenschwarzen Meer verschmolz. Der eisige Wind schnitt in sein Gesicht.
    Absolut kein Platz für Gefühle ...
    Dennoch schob er die Finger verstohlen in seine Manteltasche, um das dicke Bündel Briefe zu berühren, das er aus der Kajüte des Amerikaners an Bord der Anne-Marie mitgenommen hatte. Die Briefe waren nicht an ihn gerichtet. Sie waren überhaupt nicht für die Augen eines Fremden bestimmt, es lagen zuviel Liebe darin und zu viele Erinnerungen. Jack haßte sich dafür, sie gelesen zu haben, wie es seine Pflicht verlangt hatte. Genauso wie er es haßte, daß die schwungvolle Handschrift ihn so sehr an Julia erinnerte, an ihr Lachen, ihr Scherzen und an ihren Mut, der so viel größer gewesen war als sein eigener.
    Julia. Rasch zog er die Hand aus der Tasche und weg von den Briefen. Es war besser, diese Frau in der Vergangenheit zu belassen, in einem anderen Leben, wo der Schmerz über ihren Verlust ihn nicht noch einmal treffen konnte. Besser, an die Gegenwart zu denken, noch besser zu versuchen, seine zukünftige Aufgabe zu erfüllen, was seit heute vielleicht schon unmöglich geworden war.
    Aus den Luken drangen die gedämpften Geräusche einer Feier, die Stimme eines Seemanns war zu hören. Sein rumträchtiges, unmelodiöses Lied wurde plötzlich unterbrochen von dem gotteslästerlichen Gebrüll des Bootsmanns. Gegen seinen Willen huschte ein Lächeln über Jacks Gesicht. Die französische Schaluppe, die sie gekapert hatten, war vollbeladen mit geschmuggelter Seide und Brandy, einer Fracht, die jeden Mann an Bord viel reicher machen würde, und all das, ohne einen einzigen Tropfen englisches Blut zu vergießen.
    Ein gutes Tagewerk, dachte Jack bitter, auf das seine Besatzung mit Fug und Recht stolz sein konnte. Nur er als ihr Kapitän und bald auch seine Vorgesetzten bei der Admiralität konnten wissen, wie schlecht er selbst seine Befehle befolgt hatte. Befehle, die, wären sie erfolgreich ausgeführt worden, eine Wende in diesem erbitterten Kampf gegen Frankreich hätten bedeuten können. Aber statt dessen lagen jetzt vor Jack die Schande eines Kriegsgerichts, die Verachtung oder, schlimmer noch, das Mitleid seiner Kameraden, der Verlust seiner Ehre, seines Kommandos und seines Schiffs.
    Schon einmal war er, wenn auch auf andere Weise, ausgestoßen und verbannt worden von allem, was er liebte. Er war sich nicht sicher, ob er eine ähnliche Situation jetzt, da er älter war, noch einmal überleben würde. Kein Wunder, daß Julia in dieser Nacht so sehr in seinen Gedanken war.
    Jack spürte die Briefe in seiner Tasche, ohne sie zu berühren, ihre Bedeutung wog so schwer wie sein Gewissen. Aber ihm blieb keine andere Wahl. In zwanzig Jahren hatte er weder den König noch die Marine jemals enttäuscht, und er würde nicht jetzt damit anfangen. Diese Amerikanerin, die die Briefe geschrieben hatte, müßte leicht zu finden sein. Er würde ihr sowenig wie möglich erzählen und ihr soviel versprechen, wie sie wollte, bis er es geschafft hatte, sie nach Paris zu bringen. Dort würde er sie zwingen, ihr Leben zu riskieren für ein Land und eine Sache, die nicht die ihren waren.
    Und zur Hölle mit Gefühlen.

1. KAPITEL
    Providence, Rhode Island Januar 1798
    »Natürlich möchte ein Gentleman mich sprechen, Zeb«, sagte Désirée, während sie ihre Unterschrift schwungvoll auf den letzten Seefrachtbrief des Stapels setzte. »Es kommt doch dauernd einer, oder?«
    »O ja. Miss, aber dieser Herr ist anders.« Zeb verlagerte sein Gewicht unbehaglich von seinem Fuß auf den hölzernen Stumpf, dem er es zu verdanken hatte, daß er seit fünfzehn Jahren nicht mehr als Seemann auf Sparhawk-Schiffen diente, sondern als Butler in ihrem Hause. »Wirklich anders.«
    »Kannst du ihm nicht sagen, daß er morgen früh wiederkommen soll?« fragte sie müde, als sie die Arme hinter dem Rücken reckte und von dem Stuhl vor dem Schreibtisch glitt. Seit dem Morgengrauen hatte sie die Geschäftsbücher des vergangenen Jahres durchgesehen. Die einzige Unterbrechung
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