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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
Autoren: Friedrich Glauser
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Sergeantenmesse. Sie schienen dort mit metallenen Instrumenten auf Gläsern die Begleitung des Liedes zu spielen, das Cattaneo sang:
    »Ferme tes jolis yeux
Car les heures sont brè-è-è ves
Au pays merveilleux
Au beau pays du rê-ê-êve…«
    Capitaine Chaberts Gesicht verzog sich. Seine Ohren brannten. Wut schien in ihm hochzusteigen. Er ballte die Fäuste vor der Brust, wie ein Schnelläufer. »He! Pullmann!« rief Kraschinsky aus der Höhe, »bring mal die Leute zum Schweigen, man versteht ja sein eigenes Wort nicht bei diesem Lärm.«
    Pullmann winkte, und fünf Mann folgten ihm. Sie schlichen um den Fuß der Treppe. »Und los, ihr anderen! Los! Auf den Capitaine!« rief Kraschinsky.
    Aber während die Masse sich in Bewegung setzte, wurde Chabert von Sitnikoff und Koribout in die Mitte genommen und sanft die Treppe hinaufgeschoben. Ackermann deckte den Rückzug, die Wache blieb unten und hielt die Bajonette gefällt. Ein paar Schüsse knallten, aber die Kugeln sangen harmlos ihr Lied zu den Sternen.
    Als Pullmann mit seinen Begleitern in die Messe drang, herrschte dort Ruhe. Die meisten Unteroffiziere lagen mit den Köpfen auf dem Tisch, nur Baguelin stand in einer Ecke neben dem Adjutanten und sah aufmerksam auf Cattaneos geöffneten Mund, dem rauhe Töne entströmten.
    »Ferme tes jolis yeux…«
    schluchzte Cattaneo und Tränen rannen über seine Backen. »Ja, ja, die alten Lieder. Es geht nichts über die alten Lieder«, stellte Baguelin fest. Er sah erstaunt auf die bewaffneten Männer an der Tür, aber er mußte den Adjutanten ziemlich kräftig in die Seite puffen, bis dieser die verdrehten Augen in ihre gewöhnliche Lage brachte. Lange starrte Cattaneo auf Pullmann. Dann zog er mit behutsamen Bewegungen eine zerdrückte Zigarre aus der Tasche, zündete sie an, langte mit der gleichen behutsamen Bewegung in die hintere Hosentasche und legte eine kleine Repetierpistole aufs Knie. »Waffe fort!« brüllte Pullmann, in der Aufregung gebrauchte er deutsche Worte. Der Adjutant sah ihn verständnislos an. Hintereinander, fast ohne Pause, es klang wie das Zerreißen eines schweren Stoffes, knatterten Schüsse. Wütendes Geheul. Die Pistole, die der Adjutant noch immer auf seinem Knie hielt, ließ einen dünnen Rauchfaden aus ihrer Mündung, der sich seltsam mit dem Rauch der Zigarre vermischte, die zwischen den Fingern der linken Hand steckte. Die Kugeln hatten niemanden getroffen. Die von ihnen erzeugten Löcher bildeten ein unregelmäßiges Muster im Balken über der Tür. Die Köpfe auf den Tischen hatten sich nicht bewegt. Mit starren Augen, während der Schluckauf seinen schweren Körper durchschüttelte, wartete der Adjutant auf seine Angreifer. Pullmann ging vor. Er hielt sein Gewehr vorne am Lauf und schlenkerte es wie einen Stock. Und wie ein Spaziergänger manchmal den Stock gebraucht, um eine Blume zu köpfen, hob Pullmann das Gewehr und ließ es seitlich gegen den Kopf des Adjutanten fallen…
    Im Turmzimmer saß der Capitaine und ließ sich von Samotadji pflegen. Chaberts Gesicht war bläulich angelaufen, er schnaufte schwer. Samotadji legte seinem Herrn feuchte Handtücher auf die Stirn. Stumm saßen die anderen herum. Koribout hockte in einer Ecke, unberührt von allem Geschehen, und schrieb Beobachtungen in sein Notizbuch. Verlegen kaute Ackermann an seinen Fingernägeln. Sitnikoff und Lös saßen am Tisch; beide waren sehr blaß. Die Gewehre lehnten neben der Tür. Ein Klopfen ließ alle auffahren. Es tönte hart durch das dumpfe Schreien, das von unten heraufdrang. Sitnikoff ging langsam zur Tür, schob den Holzriegel zurück, nachdem er gefragt hatte, wer draußen sei. Die leise Antwort blieb den andern unverständlich.
    Herein traten der Chef und Leutnant Lartigue.
    »Hallo, hallo!« der Chef schien ausgezeichneter Laune zu sein. »Wer rettet nun die Situation? Natürlich: Narcisse Arsène de Pellevoisin! Denn wer hat den einzig richtigen Gedanken gehabt? Immer der Vorgenannte. In fünf Minuten kommen die Gums, die werden Ruhe schaffen, einszwei! Aber«, ein zweifelnder Blick auf die liegende Gestalt des Capitaines, der nichts zu hören schien. »Die Auseinandersetzung mit Materne wird sich schwieriger gestalten. Ich bedaure unseren Capitaine. Materne war nämlich nicht allein, als ich kam. Leutnant Mauriot war schon bei ihm. Unserem Capitaine wird es nicht gut gehen, das sehe ich kommen.« Er schwieg, zog einen leeren Stuhl heran und setzte sich. Alle schwiegen. Da brach der Lärm unten ab.
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