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Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988)
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
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Die Fänge des Adlers
     
    Aus dieser Höhe wirkt die Erde wie ein von Meisterhand geschaffenes Kunstwerk. Es gibt Momente, da kann ihr Anblick dir den Atem stocken lassen, so schön ist sie. Sie ist wirklich ein Kunstwerk. Sie ist eine erstaunliche, vielleicht einmalige Schöpfung, an der die Künstlerin Natur jahrmillionenlang geformt und immer wieder verbessert hat, bis all die verschiedenen Komponenten so genau aufeinander abgestimmt waren, daß ein exakt funktionierendes System miteinander korrespondierender und einander bedingender Details entstanden ist.
    Von hier oben, aus dem Orbit, erkennst du erst richtig, wie verletzlich dieser Planet ist.
    Seltsam, du glaubst ganz deutlich wahrnehmen zu können, daß die Schale dieser von Pastelltönen übergossenen Kuppel da unter dir hauchdünn ist, nicht dicker als die Hülle eines Balls, mit dem Kinder spielen. Nur spröder ist sie, viel spröder.
    Wirf einen Ball gegen die Wand, und es wird ihm nicht schaden, aber ritze nur die Schale der Erde, etwa dort, wo die graugrüne Randsteppe Brasiliens das Wasser des Amazonasdeltas trinkt, und sie wird aufreißen zu einer entsetzlichen Wunde, und das heiße Blut wird hervorströmen, Länder und Meere unter glühender Schlacke begrabend.
    Ohne meinen Fingern bewußt einen Befehl erteilt zu haben, geben sie die Weisung in den Rechner, den Peilstrahl in Richtung Boden zu schwenken, und ich weiß, daß sich im selben Moment auch die Millionen haarfeiner Fäden des Facettenlasers in Bewegung setzen, sich ausrichten auf genau dieses handförmige Stückchen Flußmündung dort unten, daß im Hirn des Arsenals blitzschnell Potentiale bis unter die Ansprechschwelle steigen.
    Gleich darauf, eine halbe oder eine Sekunde später, ertönt ein feines, vibrierendes Summen, das, obgleich kaum hörbar, so genau auf das menschliche Nervensystem abgestimmt ist, daß es fast körperlich spürbar wird. Gleichzeitig beginnt über dem Manual die rote Diodenzeile der Warnanlage zu blinken. Die Sicherheitsgrenze des Schwenkwinkels ist erreicht, doch die Reaktionen des Rechners gehen über die optischen und akustischen Hinweise nicht hinaus, die Mündung des Lasers senkt sich weiter.
    Ein einziger Impuls würde jetzt ausreichen, und diese Hand dort unten wäre ein für allemal vom Körper des Planeten gehackt, und eine schwärende Wunde fräße sich mit der vielfachen Geschwindigkeit eines Steppenbrandes in das Herz des Kontinents.
    Abermals spüre ich Unbehagen angesichts der Tatsache, daß sich unsere Forschungsstation von einer Tod und Verderben in sich bergenden Orbitalfestung nur durch dieses warnende Summen und die aufgeregt blinkende Leuchtzeile zu unterscheiden scheint.
    Ist das, was ich fühle, wirklich nur Unbehagen? Ist nicht auch eine Spur von Triumph dabei, Genugtuung, daß ausgerechnet ich es bin, dessen Finger auf dem Manual des Richtrechners liegen?
    Ein Schauer läuft mir über den Rücken, und ich frage mich, wie lange ein Mensch wohl Mensch bleiben kann, wenn ihm Gewalten wie diese zur Verfügung stehen, wenn ihm durch sie Macht gegeben ist über einen ganzen Planeten. Wie lange können sein Hirn gelassen und seine Hände ruhig bleiben? Ist das eine Frage des Charakters, der Erziehung, der Ideologie oder vielleicht doch nur der Größe dieser Macht? Oder all dessen zusammen?
    Da unter mir schwebt sie, meine Erde, schimmernd in Grün und Gelb und leuchtendem Blau, die Heimat, die mich gebar. Und ich spüre die Kraft in meinen Händen, sie zu vernichten, die Macht, Mord zu begehen an der eigenen Mutter, an all den Müttern und Vätern, die mich aus dem Chaos des Anfangs auf diesen bequemen Sessel gehoben haben. Wie nur, frage ich mich, müssen jene beschaffen sein, die mir diese Macht leichtfertig verliehen? Ja, leichtfertig! Denn ich kann ermessen, wie wenig erforderlich wäre, diese Macht zu benutzen. Sie übt einen Sog aus, sie will sich äußern, denn sie weiß nichts von dem Entsetzen des Danach. Sie ist wertfrei wie die Traufe des Daches, die den Selbstmörder wie mit magischen Kräften anzieht.
    »Captain McBruns!«
    Verdammt, weshalb nur zucke ich jedesmal zusammen, wenn ich diesen Namen und diesen Dienstgrad höre? Es ist mein Name, mein Dienstgrad, und ich habe zu reagieren wie jeder andere, wenn man ihn ruft. »Sir?«
    »Sie sollten sich endlich ablösen lassen. Vierundzwanzig Stunden am Laser sind mehr, als man einem Menschen zumuten kann. Halten Sie haus mit Ihren Kräften. Sie werden noch gebraucht, Phil.«
    »Es sind
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