Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
Autoren: Friedrich Glauser
Vom Netzwerk:
im Schatten der Mauer Todd hockte, die leise Übersetzung:
    »Ich hasse und liebe, warum ich dies tue, fragst du vielleicht,
ich weiß es nicht, aber daß ich's tue, fühl ich, und leide.«
    Flüstern. Wer ist das? Pierrard staunte. Lös mußte lächeln. Dann faßte sich Pierrard und drückte seine Freude darüber aus, daß noch ein Gebildeter hier unter ihnen weile. Da würde er doch auf Verständnis stoßen. Lös füllte wieder die Becher, alle stießen sie mit Todd an, näherten ihre Gesichter dem seinen, das plötzlich, im hellen Lichte, uralt und mumienhaft aussah. Er nickte nur mit halbgeschlossenen Lidern und versank dann wieder in den Schatten. Pierrard goß hintereinander zwei Quarte Wein in den Hals, wischte die Tropfen von den Mundwinkeln und vom Kinn, trocknete die Hände an den Haaren und fuhr fort. Seine Stimme war laut und prahlerisch.
    »Eigentlich heiße ich Löwendjoul, Baron von Löwendjoul. Und mein Großvater war Balzacs intimer Freund. Du weißt doch, wer Balzac war, Lös? Der große französische Dichter.« Er blickte starr in Lös' Gesicht. Patschuli machte sich bemerkbar. Er war die ganze Zeit mit dem Kopf auf seines Freundes Knien gelegen. Nun setzte er sich auf, meckerte höhnisch, stieß Lös in die Seite, als wolle er ihn einladen, mit in das Gelächter einzustimmen, fuhr dann Peschke mit gespreizten Fingern durch die Haare. »Tu nicht so«, rief er Pierrard zu. Der schien ihn nicht zu sehen, denn er wartete auf Lös' Antwort. Da ließ Patschuli von ihm ab, rollte sich zusammen, drückte sich gegen seinen Freund und versank wieder in Schweigen.
    »Warum bist du eigentlich in die Legion gekommen.« frug Lös, um einer Antwort zu entgehen.
    »In die Legion bin ich vor zwei Jahren gekommen. Warum? Das ist eine lange Geschichte. Soll ich sie erzählen? Wenn ich nur sicher wäre, daß ich euch vertrauen darf. Dir schon, Lös, und auch Smith. Aber die andern?«
    Zum erstenmal öffnete Peschke den Mund. Er übertrieb noch seine Berliner Aussprache: »Von wejen mia brauchst du keene Angst nich zu haben.« »Und ich bin schweigsam wie das Grab«, bestätigte Patschuli mit geschlossenen Augen und viel Schläfrigkeit in der Stimme.
    »Ich bin ja zur selben Zeit wie du nach Bel-Abbés gekommen«, sagte Pierrard. »Aber, während du in die Unteroffiziersschule eingetreten bist, hab ich mich im Hintergrunde halten müssen. Denn, wenn man mich erkannt hätte, wäre ich ausgeliefert worden. Du weißt ja, wegen Diebstahls liefert die Legion nicht aus. Aber wegen Mord…« Pierrard ließ eine Pause eintreten und blickte Lös fest an. Der fühlte sich als Gastgeber verpflichtet, Aufmerksamkeit zu zeigen, und sah gespannt auf seines Kameraden Mund. Patschuli ließ ein hohes Kichern hören und spielte mit Peschkes Händen. Smith und Todd murmelten sich leise Bemerkungen zu, schenkten sich gegenseitig ein und stießen mit den Blechtassen an. Pierrard sprach aufgeregt weiter, mit weiten Bewegungen, als spiele er in einem Melodrama.
    »Das Schloß unserer Familie liegt bei Ostende am Meer. Wir sind sehr reich und auch mit der ganzen internationalen Aristokratie bekannt. So kam es, daß ich vor dem Kriege oft zum Fürsten von Fürstenberg nach Deutschland eingeladen wurde. Und dort lernte ich meine Frau kennen. Während des Krieges wohnte meine Frau in unserem Familienschloß. Mit ihr waren dort auch englische Offiziere einquartiert. Sie selbst war eine Engländerin, eine Tochter des Lord, des Lord…« Pierrard zögerte kaum merklich, »des Lord Chesterfield«, stieß er heraus. Er machte eine Pause, trank aus der Flasche, räusperte sich. Es klang wie das Kratzen der Nadel auf einer Grammophonplatte vor Beginn eines Stückes.
    »Ja, sie liebte die Engländer mehr als die Belgier. Nach dem Waffenstillstand kam ich heim. Die englischen Offiziere reisten ab, nur ein junger Hauptmann blieb noch. Er hatte sich bei meinem Vater eingeschmeichelt, und auch meine Frau schien ihn sehr zu schätzen. Sie spielte oft mit ihm Tennis und Golf.«
    »Und wie hieß dieser Hauptmann?« krächzte eine Stimme aus dem Hintergrund. Todds Gesicht erschien im Licht, auffallend war eine Zahnlücke im gespaltenen Mund.
    »Der Hauptmann hieß, wie hieß der Hauptmann doch?« Pierrard dehnte die Worte. Er klammerte sich mit seinen Blicken an Lös, als wisse dieser die Antwort. »Nun, er hatte einen englischen Namen, der mir entfallen ist.«
    »Einen englischen Namen, wie sonderbar. Und war englischer Offizier«, zwitscherte Patschuli und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher