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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
Autoren: Friedrich Glauser
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stieß ein rhythmisches Bellen aus, einen langgezogenen Ton zuerst, hoch und schrill, dann zwei tiefe knurrende Laute. Türk hatte große Ähnlichkeit mit einem Dackel, nur war er größer. Vor zwei Monaten war er in die Verpflegung gekommen, abgemagert und zerzaust. Seither hatte er sich satt essen können. Nun war er dick und walzenförmig geworden. Die gebogenen Beine vermochten den schweren Körper nur mühsam zu tragen; am meisten war ihm das langsame Gehen beschwerlich. Darum machte er meist Sätze, die ihn weit über das Ziel hinaustrugen; er kroch dann auf dem Bauche zurück.
    »Hör, Korporal«, sagte der alte Kainz und trat mit einem Unbekannten aus dem Schatten der Mauer. »Da ist ein Freund von mir, der heut mit den Neuen angekommen ist. Ich kenn ihn schon von Bel-Abbés. Ist ein lieber Kerl. Und da schau, Korporal, eine echte Job noch, ich hab sie für dich aufgehoben. Da, der Todd hat sie mir geschenkt. Mit seinen letzten. Ist kein geiziger Kerl. Kannst ihm auch ein Bidon Wein spendieren.«
    »So, Todd heißt du.« Es war keine Frage, eher eine Feststellung. Lös betrachtete den Neuen im Scheinwerferlicht des Mondes. Das gelbe Gesicht war knochig und lang, mit spärlichen schwarzen Härchen, die aus dem Kinn wuchsen und das Gesicht noch länger und dünner machten. Lös streckte die Hand aus, der andere legte die seine darein. Sie war kalt und trocken. Die Hände blieben lange verbunden, wenigstens schien es den beiden so.
    »Bleib doch hier«, sagte Lös, »dann kannst du ein paar Leute kennen lernen. Oder mußt du zum Appell?«
    Todd nickte. Er schien nicht gern zu sprechen. Die beiden setzten sich nebeneinander auf den Boden und lehnten sich gegen die Mauer der Hütte.
    »Du, Kainz, bring dem Leutnant Lartigue noch einen halben Liter Schnaps. Da hast du die Schlüssel.«
    Sie blieben allein und schwiegen. Lös schätzte die Schweigsamkeit des andern. Sie war sonst nicht üblich in der Legion; im ersten Ansturm mußte gleich die ganze Lebensgeschichte erledigt werden, alle waren sie Grafen, Millionäre, große Verbrecher oder Anführer, Offiziere oder Revolutionäre gewesen. Todd aber schwieg; er hatte die Arme über der Brust verschränkt, und der Mond beleuchtete seine Handgelenke, die merkwürdig geformt waren, dünn, mit riesigen Gelenkkugeln, »Warum hast du diesen verrückten Namen gewählt: Todd?« fragte Lös. Dabei legte er zögernd die Hand auf die magere Schulter, die an seine streifte.
    »Den Namen habe ich gewählt, weil ich wirklich Sehnsucht hatte nach dem Tod. Das klingt ganz blöd, ich weiß es schon. Aber du weißt vielleicht auch, wie es ausgesehen hat, drüben bei uns, in Wien besonders. Wir waren so ein paar nach dem Krieg und der Revolution. Haben nicht mehr recht gewußt, was machen. Ein wenig schieben, aber die Kabarette, wo man das Geld verplemperte, öd waren die. Und dann all die Leut', die auf der Straße umgefallen sind, weil sie nichts mehr zum Essen gehabt haben. Ganz gleichgültig war's uns auch nicht. Einer hat sich erschossen. Ich hab nur einen Scheck gefälscht, und wie sie mich packen wollten, war ich schon auf dem Bahnhof unter französischem Schutz, engagé pour la légion.« Wieder schwieg Todd und rieb seine langen Hände gegeneinander.
    Vom Weinschuppen her kam ein scharfer Essiggeruch. Und dieser Geruch weckte in Lös eine Erinnerung. Er sah seinen Vater, der während des Mittagessens eigenhändig den Salat anmachte: Zwei Löffel Olivenöl, dann kommt auf den Grund des Holzlöffels eine Messerspitze Senf, die Höhlung wird mit Essig ausgefüllt, und die Holzgabel verrührt den Senf. Die braune Flüssigkeit spritzt in die Schüssel, und im warmen Zimmer verbreitet sich der Essiggeruch.
    »Mich hat der Vater in die Legion geschickt«, hörte Lös sich sagen. Dabei schaute er auf die gegenüberstehende Mauer, über die das Mondlicht einen weißen Stoff gebreitet hatte, der ein Stück weit noch den Boden bedeckte. »Hingebracht sogar, bis ins Rekrutierungsbüro nach Straßburg. Weißt du, ich hab in der Schweiz gelebt und hab dort ein paar Dummheiten gemacht. Schulden und so. Und die Schweizer haben mich in eine Arbeitsanstalt stecken wollen. Liederlicher Lebenswandel. Und da bin ich zu meinem Vater nach Deutschland gefahren. Der hat mich zuerst wieder in die Schweiz schicken wollen. Und dann hat er gemeint, die Legion, das wird die Rettung sein. Und hat mir einen Paß verschafft, den er während der ganzen Reise in der Tasche behalten hat. Ja, in Mainz haben sie
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