Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
Autoren: Friedrich Glauser
Vom Netzwerk:
Zärtlichkeit in dieser Bewegung.
    »Laß die Faxen«, fuhr Peschke auf, seine Hand schnappte nach den Fingern des andern und preßte sie roh zusammen.
    »Nein doch, du tust mir weh.« Der Ton dieser Worte war vorwurfsvoll und die Stimme so weibisch, daß Lös ein wenig zusammenzuckte: wieder wollte ihn Sehnsucht überkommen, Sehnsucht nach etwas Unbestimmtem, nach den Zärtlichkeiten einer Frau vielleicht, die man zum Weinen gebracht hat, und mit der man dann, versöhnt, Arm in Arm, durch helle Straßen geht, an erleuchteten Schaufenstern vorbei. Kleider bewundert man dort, während Hupen und Sirenen singen und Trambahnklingeln die Begleitung spielen. Ein breiter Fluß rauscht in der Nähe.
    Aus der leeren Baracke rief eine müde Stimme: »Führen Sie mich zuerst in mein Zimmer, dann können Sie meinetwegen gehen.«
    Patschuli und Lös sahen zu: Mühsam erhob sich Leutnant Lartigue, stützte sich schwer auf die Schulter des Kleineren, der gerade die richtige Höhe zu haben schien, und ging schwerfällig zur Tür. In der Türe wandte er sich um: »Auf später, Lös, Sie kommen doch noch?«
    Aber Peschke drängte vorwärts, und der Leutnant mußte folgen. Bevor er die Türe schloß, warf Peschke noch einen eifersüchtigen Blick auf den zurückbleibenden Freund.
    Lös mußte lächeln. Und er dachte wohl an ferne Dinge, denn er knallte mit der Stirn gegen den niederen Türbalken, als er die Baracke verlassen wollte.
    Draußen war die Nacht weit und hoch. Der Wind hatte mit viel feinem Sand die Wellblechdächer glattgeschmirgelt, so daß sie nun spiegeln konnten, wenn der Mond sein weiches Licht über sie legte.
    Der Hof der Verpflegung war ein Quadrat mitten im Rechteck des Postens. Drei niedere Schuppen enthielten Wein und Mehl und verschiedene Nahrungsmittel. Zwei kleinere Kammern, die sich an den Weinschuppen lehnten, wurden von Lös bewohnt. In einer Ecke des Hofes erhob sich ein Turm, der höchste Bau des ganzen Postens, auf dessen flachem Dach eine Fahne wehte. Dort wohnte der Alleinherrscher, Capitaine Gaston Chabert, der mit seinem Namensvetter aus Balzac weder das tragische Schicksal noch die grausame Frau gemeinsam hatte.
    Eigentlich regierte die Frau des Capitaines die ganze Kompagnie, obwohl sie in Frankreich lebte. Im Turmzimmer stand ihre Photographie auf einem kleinen Tisch. Ein volles Gesicht mit Doppelkinn und engem Mund. Sehr vorwurfsvoll und unversöhnlich blickten die Augen. Capitaine Chabert war vor dem Kriege Kassenbote in Rouen gewesen; seine Frau stammte aus einer alten Hugenottenfamilie. Der Capitaine hatte dies seiner Ordonnanz Samotadji erzählt; da aber die Ordonnanz ihre Kenntnisse des Französischen aus den Briefen der Frau Chabert bereicherte, so erfuhr die Kompagnie nach und nach von der Güte dieser fernen Frau. Milde, schrieb die Gattin, sei den Soldaten entgegenzubringen, denn Menschen seien sie und Geschöpfe Gottes; unerbittlich werde der Höchste Rechenschaft verlangen über jede Grausamkeit, über jedes zugefügte Leid. Schwere Strafen seien vorgesehen für denjenigen, der einem dieser Unglücklichen (heimatlos seien sie und bisweilen von großer Schuld bedrückt) Leid zufüge und Schmerzen, schwere Strafen auch in einem unerbittlichen Jenseits. Dies war wohl der Grund, warum Capitaine Chabert selten jemand einsperrte. Auch seine angeborene Gutmütigkeit half ihm dabei. So kam es, daß das Arrestlokal, eine schmale Zelle mit einem Zementblock zum Liegen, meist leer stand; länger als eine Nacht war diese Zelle nie besetzt. Grund der Einkerkerung war dann gewöhnlich sinnlose Betrunkenheit. Am folgenden Morgen entließ der Capitaine den Verkaterten mit väterlichen Ermahnungen: »Das nächstemal, mein Kleiner, mußt du früher zu Bett gehen. Denke daran, der Zement ist hart und kalt, und mir bereitest du Schmerz, wenn ich dich nicht auf deiner Matratze schlafen lassen darf.« Klagte jedoch ein Unteroffizier über die Unbotmäßigkeit eines Mannes, so erhielt er zur Antwort: »Du hast Fäuste, mein Kleiner, gebrauche sie. Und wenn du eine Beleidigung deiner Schnüre fürchtest, kannst du ja den Rock ausziehen.«
    Lös ging über den Hof. Die weißen Mauern beschien der Mond. Er war wie eine Milchglaslampe in der hohen Decke des Himmels eingelassen. An die Mauer der Verwaltung stieß der Park, der die Schafherde umschloß. Ein Lamm weinte leise und feucht.
    Als Lös die Tür zu seiner Kammer öffnete, sprang ihm Türk entgegen. Die kalte Schnauze des Hundes berührte sein Kinn. Türk
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher