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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
Autoren: Friedrich Glauser
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mich nicht nehmen wollen. Wegen den Zähnen. Und in Straßburg, beim Abschied, hat er dann geweint, der alte Mann. Ganz ehrlich geweint. Und fünfzig Franken hat er mir in die Hand gedrückt. Ja. Das war schon besser als die Tränen. Zum Korporal hab ich's ja gebracht. Höher langt's nicht. Mein Alter hat immer geglaubt, ich komm als Offizier zurück.«
    Eine Signalpfeife gellte in langen Trillern durch den Posten, kam näher, entfernte sich wieder. Eine rauhe Stimme rief: »Appell.«
    »Du mußt jetzt gehen. Komm dann später zurück. In welcher Sektion bist du? Mitrailleuse? Das ist gut. Der Lartigue ist ein feiner Kerl.«
    Lös blieb allein. Es kam ihm sonderbar vor, daß er die Wahrheit gesprochen hatte. Sonst hatte er das Beispiel der andern befolgt und mit einer erfundenen Vergangenheit geprunkt. Schweizer Offizier, Liebschaft mit einer verheirateten Frau, Entdeckung durch den Mann, Flucht. Er stand auf und holte aus einer Kammer drei Blechflaschen, die er im Weinschuppen füllen ging.
    Rund und schwer standen die Achthundert-Liter-Fässer in der hellen Dunkelheit. Der Essiggeruch war so scharf, daß er den Atem verschlug. Und während Lös den Wein in Flaschen füllte, steckte der Mond durch die Ritzen des Daches weiße Stäbe und tastete mit ihnen den feuchten Boden ab.
    Als er sich umwandte, sah er fünf Gestalten über den Hof kommen und ging ihnen entgegen.

Geschichten in der Nacht
    Voraus schritt das Paar, aneinandergeschmiegt und wiegend. Patschulis Gesicht sah im unbarmherzigen Lichte des Mondes gedunsen und nackt aus. Es war glatt, ohne jegliche Falte. Aufreizend wirkten auch die nackte Schulter und das braune herabfallende Gewand, das die rasierten Waden entblößte bis zum Knie. Peschke trug eines der seidenen Hemden seines Leutnants, am Halse geöffnet, mit umgeschlagenem weichen Kragen, dazu Breeches und schwarze Wadenbinden.
    Den beiden folgten die Korporäle Smith und Pierrard, die derart verschieden waren, daß ihr Zusammengehen komisch wirkte. Smith war ein dicker Mecklenburger mit waagrechten Schultern, auf denen ein glattgeschorener Kugelschädel saß. Die Wangen hingen in Säcken herab, zu beiden Seiten des wulstigen feuchten Mundes, über dem die Nasenlöcher sich wie riesige Höhlen öffneten. So abgeplattet war die Nase, daß sie im Profil unsichtbar blieb.
    Pierrard war Belgier. Er sah groß aus neben dem kugelförmigen Smith. Über dem scharfen Gesicht standen die Haare borstig und silbern schimmernd in die Höhe. Sein Schritt war majestätisch, denn er hielt den Oberkörper mit auf dem Rücken verschränkten Armen stark nach hinten gebeugt.
    Als letzter kam, mit schlenkernden Armen und Beinen, Todd.
    Sie alle wurden einzeln begrüßt und ließen sich dann vor Lös' Hütte nieder. Es war der einzige Platz, der vom Fenster des Capitaines aus unsichtbar blieb. Lös füllte die Blechtassen. Andächtig wurden sie geleert. Dann schwieg die Versammlung.
    Da ergriff Pierrard die Feldflasche und trank lange und ausgiebig. »Ich bin traurig heut abend«, sagte er. Seine Stimme klang heiser. Er rollte das Ende seines Schnurrbarts, zog es gedankenvoll durch den Mund und ließ die Blicke über die Gesichter der Sitzenden streifen, bis sie an Lös hängen blieben, der zwischen Patschuli und Smith saß. Dann begann Pierrard leise zu sprechen, in deutscher Sprache, die einen harten flämischen Akzent hatte. »Einmal, während des Krieges, auch an einem vierzehnten Juli, habe ich mit dem König aus derselben Flasche getrunken.« Er schwieg wieder. Der Wein schien zu wirken, das Blut drängte sich in die Haut seines Gesichtes, die Augen quollen vor zwischen den weitaufgesperrten Lidern. Der Oberkörper sank ein wenig nach vorne. Aber mit einem Ruck fuhr Pierrard wieder auf, sah sich im Kreise um. Und das Galliergesicht wurde verächtlich. Er begann zusammenhängend zu sprechen, wandte sich aber an Lös. »Ja, ich habe oft mit unserem König Albert gesprochen, denn ich war doch sein Adjutant. Capitaine war ich und habe dann eine Kompagnie geführt!« Noch einmal beobachtete er die Mienen seiner Zuhörer. Da er nur Gleichgültigkeit wahrnahm, schien ihn dies zu ärgern.
    »Ihr glaubt mir wohl nicht? Aber Lös, du glaubst mir?
    Haben wir uns nicht oft genug unterhalten über Racine und Goethe und Voltaire? Ha, und Latein verstehen wir auch, nicht?
    Odi et amo quare id faciam fortasse requiris.
Nescio sed fieri sentio et excrucior.«
    Er schwieg wieder und blinzelte Lös zu. Da kam aus der Dunkelheit, wo
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