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Ian Yery & der Hardcore Absolute Beginner

Ian Yery & der Hardcore Absolute Beginner

Titel: Ian Yery & der Hardcore Absolute Beginner
Autoren: Kooky Rooster
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Mo Ian Yery
    … Kriegsheld …
    Mo nahm immer drei Stufen auf einmal, wenn er die alten, abgetretenen Treppen zur Wohnung hochlief. Jeans und T-Shirt waren nass und klebten an seiner verschwitzten Haut. Mairegen. Ihm fiel ein, dass seine Mutter immer behauptet hatte, er wäre nur deswegen so groß, weil er immer im Mairegen joggte. Das war natürlich naturwissenschaftlich gesehen Unsinn – es lag wohl eher an den Genen, denn auch sein Großvater war schon über eins neunzig gewesen. Außerdem joggte er nicht nur im Mairegen, sondern das ganze Jahr über. Ebenso hätte seine Mutter behaupten können, er wäre vom Novembernebel rotblond geworden oder hätte durch Schneeflocken seine Sommersprossen erhalten.
    Mo öffnete die hohe, knarrende Tür, von der brauner Lack absplitterte, und ließ seinen Rucksack auf die Armada aus Schuhen und Taschen fallen, die im Flur auf dem Boden herumlagen. Aus Stefans Zimmer drangen Maschinengewehrsalven, Explosionen, Todesschreie … der übliche Kriegslärm eines Computerspiels. Quittiert wurde das grausame Metzeln von flachen, zynischen Bemerkungen. Mo stöhnte genervt und verdrehte die Augen. In Socken schlurfte er übers Parkett, zupfte an seinen nassen Sachen und streckte den Kopf ins Krisengebiet. Dicke Nebelschwaden krochen über ein Schlachtfeld aus leeren Pizzakartons, Chipspackungen, Limonadeflaschen und Schmutzwäsche. Es roch nach Verderben, Nikotin, Verweseung und Schweiß.
    „Guten Morgen!“, rief Mo, obwohl es bereits neunzehn Uhr war und zollte damit Stefans Tagesrhythmus Respekt. Aus den Tiefen des Raumes tauchte eine zierliche Gestalt auf und wankte mit steifen Gliedern ungelenk auf ihn zu wie ein Zombie. Stefan wog Hundertzwanzig Kilo, er konnte es nicht sein. Blieb nur noch …
    „Judith?“
    „Guten Morgen, Mo. Du musst dir unbedingt was ansehen“, grölte sie über den Lärm von Maschinenpistolen und dräuenden Bassklängen hinweg, die das Szenario dramatisch untermalten.
    Sie schüttelte Arme und Beine aus und schrie: „Mah, mir ist alles eingeschlafen!“
    Mo bekam von diesem Sound immer leichte Bauchschmerzen, ähnlich wie vor einem Gewitter. Obwohl Judith hübsch, zierlich und klug war, hatte sie vor einigen Wochen etwas mit Stefan angefangen, der in allem so ziemlich das Gegenteil von allem war, was Frauen (oder Männer) für gewöhnlich gut fanden. Aber Judith war nicht gewöhnlich. Eigentlich passten die beiden gut zusammen. Wer nicht hierher passte war – Mo.
    „Soll ich die UNO anrufen?“, rief er, stülpte sich den Kragen seines T-Shirt über die Nase und hustete demonstrativ.
    „Haha, sehr witzig“, schrie Judith und trieb wieder in die Tiefen der Nebelschwaden ab, in der fixen Annahme, Mo würde ihr folgen.
    Doch statt sie zur Kommandozentrale zu begleiten, stakste er über Müll und getragene Kleidung hinweg zum Fenster.
'Ratsch'
– riss er den Vorhang zur Seite und Licht flutete den düsteren Raum. Die beiden Strategen an der Front rebellierten mit einem einhelligen Schrei.
    „Mach das zu!“, kreischten Judith und Stefan im Chor, dabei zogen sie die Schultern synchron hoch.
    „Ihr seid Soldaten, keine Vampire!“, rief Mo kopfschüttelnd und öffnete das Fenster. Frische Luft blies ihm kühl ins Gesicht und der Duft von nassem Gras und Mauerwerk drang in seine Nase. In einer theatralischen Geste neigte er sich hinaus in den Frühlingsregen und holte hörbar Luft, ganz so, als wäre er beinahe an einer Rauchgasvergiftung krepiert.
    „Mo, du musst dir das ansehen!“, brüllte Stefan, ohne dabei vom Bildschirm wegzusehen.
    „Das ist vergebene Liebesmüh', Leute, und das wisst ihr. Ich kann mit dem Scheiß nichts anfangen!“, erklärte Mo über den Krach hinweg.
    Ständig nervten ihn seine Mitbewohner mit diesen Computerspielen, erzählten ihm von der – seiner Meinung nach – einfallslosen Handlung, oder weihten ihn in angeblich raffinierte Strategien ein. Untereinander kommunizierten sie diesbezüglich in einer Art Fremdsprache – zumindest verstand Mo von dem Computerspieler-Jargon oft kein Wort. Er verbrachte lieber Zeit in der Natur, vor allem in den Bergen, an Felswänden, oder kraxelte in der Halle an Kletterwänden hoch. Da er sich bei der Arbeit eingesperrt fühlte, dort ohnehin an Computer und Geräte gefesselt war, wollte er in seiner Freizeit nichts mehr damit zu tun haben.
    „Aber das
musst
du dir ansehen, Mo!“, schrie Judith und kam erst jetzt auf die glorreiche Idee, Stefan zu befehlen, die Lautsprecher etwas
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