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Glutroter Mond

Glutroter Mond

Titel: Glutroter Mond
Autoren: Narcia Kensing
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seine Waffe zu entreißen. Obwohl er sich umdreht und den Versuch startet, vor Cade zu flüchten, kennt dieser keine Gnade. Kurzerhand streckt er den Obersten von hinten nieder. Mit einem stummen Schrei auf den Lippen geht er zu Boden, das Messer steckt noch in seinem Rücken.
    Cade fährt herum, unsere Blicke treffen sich, nur für eine Sekunde, aber sie erscheint mir wie eine Ewigkeit. Ich glaube, er hat mich überhaupt nicht erkannt. Als hätte er den Verstand verloren. Genau das ist es, was ich in diesem Augenblick fühle. Wir sind miteinander verbunden gewesen, wie eng, wird mir erst in dieser einen Sekunde bewusst, in der er sich von mir und meinem Bewusstsein trennt. Es fühlt sich an, als hätte er mir das Messer geradewegs ins Herz gestochen. Die Welt zersplittert um mich herum, und ich mit ihr. Ich sehe nur noch im Augenwinkel, wie Cade sich auf seinen nächsten Gegner stürzt, anstatt mir zur Seite zu stehen. Ob er die Kontrolle über sich selbst und den Kampf gegen seine Instinkte verloren hat? Ich versuche bewusst, nach ihm zu spüren. Seine Emotionen sind noch da. Sein Körper ist ein Gefäß dafür, doch er hat keinen Bezug mehr dazu. Als hätte sein Ich keine Verbindung mehr zu seinem Fleisch und Blut, als gehörte es gar nicht zu ihm. Ich spüre Cade und seinen Körper als zwei verschiedene Dinge. Wie ist das möglich? Habe ich ein Monster geliebt?
    Wieder kracht es, diesmal nur wenige Yards von mir und dem Mädchen entfernt. Es reißt uns von den Füßen, das Mädchen schreit. Wir lassen einander nicht los, obwohl es uns nach hinten wirft. Vor meinen Augen tanzen Lichter, in meiner Lunge brennt Qualm. Von einer Sekunde auf die andere hat sich die Welt um mich herum in Stille getaucht. Ich höre nichts mehr, nur einen Pfeifton in meinem Ohr. Ich sehe, wie Acrai und Oberste brüllen, sich verständigen, ich sehe zu Schreien aufgerissene Münder, aber ich kann kein Geräusch wahrnehmen. Dann fällt mein Blick jäh wieder auf Neal. Er humpelt auf mich zu, an seinem Oberschenkel ist eine blutende Wunde, der Stoff seines Anzugs ist an dieser Stelle zerrissen. An einer Stelle seines Kopfes sind die Haare verbrannt.
    Ich weiß nicht, weshalb ich seine Nähe als Bedrohung empfinde, aber Todesangst kriecht in mir hoch. Ich möchte nicht, dass er mir näher kommt. Sein Blick ist entschlossen, in seinen Augen funkelt fanatischer Wahn. Das Mädchen schlingt seine Arme um mich, als sei ich seine Mutter.
    Von der Seite nähert sich einer der Obersten, ich habe ihn nicht kommen sehen. Meine Angst steigert sich, ich kämpfe gegen eine Ohnmacht. Paralysiert beobachte ich, wie er mir das Mädchen aus den Armen reißt und sie wegzerrt, hinter die Höhle, dorthin, wo ich durch den dichten Qualm nichts erkennen kann. Sie verschwinden einfach darin, als hätte der Rauch sie verschluckt.
    Nur sehr langsam kehrt mein Gehörsinn zurück. Es herrscht immer noch Lärm um mich herum. Dann ist Neal bei mir. Er greift um meine Taille und wirft mich über seine Schulter, als sei ich nicht schwerer als ein Blatt Papier, und das trotz seiner eigenen Verletzung. Ich lasse es geschehen. Der Ort des Grauens verschwindet im Rauch, mit jedem wippenden Schritt von Neal ein bisschen mehr. Das Gesteinsmassiv, in das sich das Quertier schmiegt - oder das, was davon noch übrig ist - hüllt sich in einen dichten grauen Schleier, ebenso meine Gedanken und Empfindungen.
    Ich spüre, wie heiße Tränen meine Wangen hinab laufen und auf Neals Rücken tropfen. Er geht mit mir in dieselbe Richtung, in der der Mann mit dem Mädchen verschwunden ist. Wir tauchen durch eine Wand aus Rauch hindurch. Dahinter stellt Neal mich auf die Füße. Ich drehe mich um und sehe nun in die andere Richtung. Dort, wo die breite Straße sich befindet, die ich mit Cade schon mehrfach in seinem Wagen gefahren bin. Reifenspuren im Staub zeugen davon. Sie sind wie Brandmale, die mich an etwas erinnern, das ich am liebsten vergessen würde.
    Vor mir eröffnet sich mir etwas, das mich glauben lässt zu träumen. Nie zuvor habe ich einen Helikopter aus der Nähe gesehen, nur von weiter weg, wenn die Obersten damit über unsere Stadt geflogen sind. So groß sind die Dinger? Ich greife nach Neals Hand, er drückt sie fest. Das riesige Konstrukt aus Blech mit den langen schmalen Rotorblättern jagt mir einen eiskalten Schauder über den Rücken. Der Helikopter glänzt schwarz im Mondlicht, wie die Wasseroberfläche des East River bei Nacht.
    Ein Mann kommt auf uns zu, ich habe
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