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Glutroter Mond

Glutroter Mond

Titel: Glutroter Mond
Autoren: Narcia Kensing
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knacken. Ich wende mich ab.
    Neben mir taucht eine Öffnung in der Wand auf. Hier muss es in die kleine Höhle gehen, in der das Auto der Acrai steht. Layton hat es als Garage bezeichnet. Doch ich komme nicht weit. Gesteinsbrocken versperren mir den Weg. Aus einem Spalt, kaum breiter als eine Elle, schlägt mir Rauch und Hitze entgegen. Meine Überlebensinstinkte sprechen dagegen, doch ich beginne damit, die Steine mit beiden Händen aus dem Weg zu räumen, um den Spalt zu vergrößern. Ich bin fest entschlossen, es wenigstens zu versuchen. Sollte ich scheitern, muss ich mir nicht die Schuld daran geben, weil zwei Menschen dort drin gestorben sind. Seltsamerweise habe ich meine eigene Angst inzwischen niedergerungen. Ich denke wieder klar, beinahe abgestumpft, als wäre mein eigenes Leben nichts mehr wert. Ein Mechanismus, um nicht zu zerbrechen. Es zählt nur noch meine Aufgabe, diese eine, sonst nichts. Fanatisch räume ich Stein um Stein aus dem Weg, konzentriere mich nur auf das, was ich tue. Wie aus weiter Ferne dringt eine Stimme an mein Ohr, die meinen Namen ruft. Ich weiß nicht, von wem sie stammt, und ich habe keine Zeit, darüber nachzudenken.
    Irgendwann habe ich die Lücke so weit vergrößert, dass ich hindurch passe. Dahinter sehe ich die Tür zur Treppe hinab ins Quartier. Sie steht offen. Ich stolpere darauf zu, den Gang entlang und die Treppe hinab. Ich falle, schramme mir Knie und Ellenbogen auf, doch ich ignoriere den Schmerz.
    Rauch hängt unter der Decke, aber dicht am Boden kann ich gut atmen. Gebeugt taumele ich den Flur entlang. Ich komme nicht weit, denn er ist eingestürzt. Zwischen den Ritzen in den Trümmern dringt der dichte Qualm hervor. Ich glaube, dahinter Feuer knistern zu hören, bin mir jedoch nicht sicher. Jemand hat einen Sprengsatz in den Gang geworfen. Wer auch immer sich hinter der Einsturzstelle aufgehalten hat, ist tot.
    Ich taste an den matten Metallwänden entlang. Sie sind heiß, ich verbrenne mir fast die Finger daran. Zwei Türen gibt es vor der Einsturzstelle, eine rechts und eine links. Ich bete, dass dahinter die Gefangenen sind. Ich kann kaum etwas erkennen, denn die Deckenbeleuchtung zuckt nur noch sporadisch alle paar Sekunden auf.
    Die Türen sind verschlossen. Sie haben keine Klinke. Ich presse meine Hand dagegen, wie es Cade immer getan hat, aber nichts passiert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das System, das die Türverriegelung steuert, noch intakt ist. Ich trete gegen die Tür. Ich glaube, dass sie sich ein bisschen in den Angeln bewegt, doch es gelingt mir nicht, sie zu öffnen. Tränen laufen mein Gesicht hinab. Immer wieder schlage und trete ich dagegen, bis mir die Knochen weh tun. Ich schreie vor Verzweiflung und Wut, presse mein Gesicht gegen das heiße Metall und lasse mich auf die Knie sinken, weil ich völlig erschöpft bin. Der Qualm ist mittlerweile fast unerträglich und lässt mich kaum atmen.
    Ich spüre seine Anwesenheit eher, als dass ich ihn mit den Sinnen wahrnehme, deshalb erschrecke ich mich auch nicht, als ich seine Hand auf meiner Schulter spüre. Ich sehe ihn nicht an. Ich will ihn von mir stoßen, aber dazu fehlt mir die Kraft.
    »Holly, du musst hier raus. Bald ist der Qualm zu dicht zum Atmen.«
    Als ich nicht reagiere, packt Cade mich an den Schultern, reißt mich herum und schüttelt mich. Er zwingt mich, ihm ins Gesicht zu sehen. Mein Blick schärft sich. Ein langer blutiger Schlitz zieht sich quer über seine Stirn. Also lebt er noch. Ich kann meine Erleichterung kaum verbergen, zwinge mich jedoch, standhaft zu bleiben.
    »Sei vernünftig und komm raus. Wir müssen fliehen.«
    »Lass mich los!« Nur halbherzig will ich ihn von mir stoßen. Der Versuch scheitert kläglich. Mir ist egal, ob ich hier unten sterbe.
    »Hinter den Türen sind noch Menschen«, presse ich heiser hervor. »Lass sie raus, sie werden verbrennen oder ersticken!«
    Cade hebt kurz den Blick und sieht sich um. »Das werden sie ohnehin.«
    Ich spucke ihm ins Gesicht. Ich versuche es zumindest. In meinem Mund befindet sich gar nichts, das ich hätte spucken können. Obwohl mein Herz schmerzt, bin ich mir nie sicherer gewesen als jetzt, dass Neal recht hatte. Cade ist kein guter Umgang für mich.
    Ich weiß nicht, ob er meine Gedanken in meinem Gesicht abgelesen hat, aber er lässt von mir ab, erhebt sich und tritt mit Schwung gegen eine der beiden verbliebenen Türen. Es kracht ohrenbetäubend laut, die Tür fliegt auf, sie hat eine tiefe Delle. Für einen
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