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Glutroter Mond

Glutroter Mond

Titel: Glutroter Mond
Autoren: Narcia Kensing
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meinem Schicksal ausgeliefert? Ich versuche, solche Horrorszenarien aus meinem Kopf zu verbannen. Sicherlich hat es nichts zu bedeuten. Er wird sein Versprechen halten.
    Endlose Minuten später, in denen ich in der Nische auf und ab gegangen bin, immer öfter den Kopf herausgestreckt habe und in der zunehmenden Dunkelheit versuche, etwas zu erkennen, höre ich es in der Umgebung plötzlich rascheln, gefolgt von einem Geräusch, als würden mehrere paar Schuhe über den Boden trippeln. Das ist nicht Cade, zudem es aus einer ganz anderen Richtung als dem Höhleneingang zu kommen scheint. Ich halte die Luft an und lausche weiter angestrengt in die Dunkelheit hinein, doch ich kann nichts mehr hören außer meinem rasenden Herzschlag. Habe ich mir das nur eingebildet? Hier ist niemand.
    Mittlerweile ist ein glutroter Vollmond aufgegangen. Er wirft groteske Schatten von derben Grashalmen und Gesteinsbrocken auf den Boden. Meine Augen haben sich an die Lichtverhältnisse gewöhnt, ich kann wieder ein paar Yards weit sehen. Ich drehe den Kopf nach links aus dem Nischeneingang heraus. Ein leises Knarren und Quietschen dringt zu mir herüber. Ich kenne das Geräusch. Das ist die Tür zum Haupteingang des Quartiers.
    Vorsichtshalber ziehe ich mich zurück. Es könnte Cade sein, aber auch jeder andere Acrai.
    Schritte nähern sich, von mehr als einer Person. Sie steuern direkt auf meine Nische zu. Instinktiv presse ich mich mit dem Rücken gegen die Wand neben der Wanne, weiter in die Dunkelheit hinein. Vor dem mondbeschienenen Eingang erscheinen die Silhouetten zweier Personen.
    »Holly?« Es ist Neals Stimme. Erleichterung durchflutet mich und ich trete einen Schritt nach vorne. Das fahle Licht lässt ihn noch blasser aussehen. Er wirkt angespannt, sein Mund ist verkniffen. Hinter ihm steht Cade. In seinem Gesicht kann ich überhaupt keine Emotionen ablesen, was mir einen Schauder über den Rücken jagt.
    »Wie versprochen«, knurrt er. »Es ist mir nur recht, wenn er geht. Ich habe kein Interesse mehr daran, die Maschine ein weiteres Mal an ihm auszuprobieren. Ich weiß jetzt immerhin, weshalb es nicht funktioniert hat.« Er wirft Neal einen undeutbaren Blick zu, irgendwie mahnend und vorwurfsvoll. Ich weiß nicht, was er damit meint. »Er hätte ohnehin beseitigt werden sollen.«
    Wie er das sagt - so kalt und gleichgültig. Ich kann mich des Verdachts nicht erwehren, dass seine Worte mich verletzen sollen. Aber dazu ist es zu spät, ich bin schon verletzt. Ich habe meine Entscheidung getroffen und mein Herz ihm gegenüber verhärtet. Es ist besser so.
    Ich trete einen weiteren Schritt auf Neal zu und schlinge meine Arme um ihn. Er erwidert meine Geste, aber zögerlich. Er kommt mir dünner vor als früher. Es erschreckt mich. Über Neals Schulter hinweg sehe ich, wie Cade die Augen verdreht. Es ist mir egal.
    Ich löse mich von Neal, halte jedoch weiterhin seine Hand. Cade soll es ruhig sehen.
    »Fahren wir heute Nacht noch in die Stadt zurück?«, frage ich so beiläufig wie möglich.
    »Ja. Das Wetter ist gut, und die Gefahr ist kleiner, wenn wir im Dunkeln reisen. Ich hoffe sehr für euch, dass der Tunnel nach Manhattan immer noch offen ist.«
    »Und wenn nicht?«, frage ich.
    »Dann kann ich euch auch nicht mehr weiterhelfen. Dann fahre ich euch nach Jersey City, von dort aus müsst ihr dann selbst einen Weg finden oder es sein lassen.«
    Es soll mir recht sein.
    Wir verlassen die Nische in der Höhlenwand, um zurück zum Abstellplatz für das Auto zu gehen, doch weit kommen wir nicht. Erneut nähern sich Schritte. Cade bleibt wie angewurzelt stehen, Neal wäre beinahe gegen seinen Rücken geprallt. Der Schreck, der mir in die Glieder fährt, fühlt sich an wie Strom. Ich habe das Gefühl, die Luft um mich herum würde knistern und flirren. Cades Muskeln spannen sich, was ich selbst im Mondlicht gut erkennen kann. Ich wünsche mir in diesem Moment, unsichtbar zu sein. Wer immer da kommt, er kann nichts Gutes verheißen.
    »Cade?« Zu meiner Überraschung ist es eine fremde Frauenstimme.
    Die Person nähert sich. Obwohl Cade Neal und mich notdürftig mit seinem Körper abschirmt, ist es unausweichlich, dass sie uns sieht. Ich spähe an ihm vorbei in ihr Gesicht, für die Dauer eines Herzschlags treffen sich unsere Blicke. Sie ist eine junge Frau, kaum älter als ich, und gar nicht mal so hässlich. Ihre Haare sind lang und dunkel, die Augen haben dieselbe Farbe wie die von Cade - wie die aller Acrai. Ihr Gesicht ist
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