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Glutroter Mond

Glutroter Mond

Titel: Glutroter Mond
Autoren: Narcia Kensing
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nicht gesehen, woher er gekommen ist. Sein linker Ärmel ist abgerissen. Darunter winden sich die schwarzen Linien, die die Obersten und die Acrai kennzeichnen. Sie glänzen im Mondlicht. Jetzt weiß ich endlich, was sie bedeuten. Das Mal dieses Mannes reicht ihm bis zur Mitte des Oberarmes hinauf. Vielleicht ist er Mitte zwanzig. Seine braunen Haare sind an der linken Kopfhälfte angesengt.
    »Kommt schnell hinein«, sagt er und deutet auf den Stahlkoloss, an dessen Flanke eine Tür offen steht.
    Da soll ich einsteigen?! Neal scheint mein Entsetzen bemerkt zu haben, denn er lässt meine Hand los und legt mir stattdessen den ganzen Arm um die Schultern. Er drückt mich leicht an sich. Ich bin mir unschlüssig, ob ich seine Nähe weiterhin zulassen soll. Eigentlich verachte ich ihn für das, was er getan hat. Er ist ein Verräter.
    »Holly, es ist nur zu deinem Besten gewesen. Alles wird gut. Es wird uns besser gehen als zuvor, glaub mir. Außerdem können wir endlich zusammen sein. Für den Rest unseres Lebens. Wir dürfen Carl besuchen gehen.«
    Carl? Ein Stich fährt mir ins Herz. Ich sehne mich so sehr danach, den Mann endlich wiederzusehen, der mich großgezogen hat. Doch mein Instinkt warnt mich, mich von tröstenden Worten blenden zu lassen. Ich habe keine Freunde mehr. Ich kann niemandem trauen. Mein Innerstes schreit danach, umzukehren und einen letzten Blick auf Cade zu werfen, aber mein Verstand hält tapfer dagegen. Ich habe gesehen, was er wirklich ist. Ich darf nicht mehr an ihn denken.
    Dennoch drehe ich mich über die Schulter hinweg um und sehe zurück. Der Qualm schraubt sich in den Nachthimmel und verliert sich in der endlosen Weite. Neal missdeutet meinen Blick.
    »Das Mädchen ist schon im Helikopter. Alles ist bereit.«
    »Das Mädchen?«
    »Die Kleine, die du gerettet hast.« Er streicht mir zärtlich über die Wange. »Das war sehr tapfer von dir.«
    Das Mädchen ... Ja, natürlich. Sie ist schon eingestiegen? Mein Blick zuckt von rechts nach links, aber ich kann sie nirgends sehen. Sie ist tatsächlich schon im Bauch des Kolosses. Der Oberste mit dem abgerissenen Ärmel hat die ganze Zeit über geduldig gewartet, doch jetzt schnaubt er.
    »So, jetzt steigt ein. Sofort.« Sein Tonfall lässt jede Freundlichkeit missen, aber das habe ich schon häufig bei den V23ern beobachtet.
    Neal übt Druck auf meine Schulter aus und zwingt mich, mit ihm die paar Schritte bis zur Tür des Helikopters zu gehen. In diesem Moment setzt Lärm ein, die Rotorblätter setzen sich in Bewegung und verursachen Wind, der den aus dem Quartier aufsteigenden Rauch verwirbelt. Weshalb hat niemand bemerkt, als der Helikopter gelandet ist? Die Zellen und Privatzimmer der Acrai sind schallisoliert ... Es muss einfach gewesen sein, sich unbemerkt zu nähern. Die Acrai haben auf Heimlichkeit gesetzt, ihr Quartier war optisch kaum mehr als Geröll in der Landschaft. Bis Neal ihren Standort verraten hat ... Es war eine Falle gewesen, seine Rückkehr ins Quartier von Anfang an eine List der V23er. Haben die Acrai sich wirklich so sicher gefühlt? Sie hätten Neal nie wieder bei sich aufnehmen dürfen. Ihr Hunger hat sie dazu getrieben, die Verzweiflung, auf die Schnelle keine andere Nahrung zu finden. Es war ihr Verderben.
    Neal bugsiert mich sanft, aber bestimmt durch die Tür des Helikopters. Wie in Trance setze ich mich auf einen Sitz, der dem in einem Auto gar nicht unähnlich ist. Das Mädchen sitzt neben mir, in ihr Gesicht schleicht sich ein leichtes Lächeln, als sie mich sieht. Ich lege meine Hand auf ihre.
    »Jetzt wird alles gut.« Neal küsst mich auf die Stirn und setzt sich auf meine andere Seite. Ich fühle nichts, nur Leere, ein schwarzes Loch. Sogar die Angst ist dumpf, unwirklich. Gleichmütig betrachte ich, wie die Welt unter mir klein wird und mit der Dunkelheit der Nacht verschwimmt. So muss es sich für Cade all die Jahre angefühlt haben. Ich fühle nichts.
     

Hinweis an den Leser
    Wenn Ihnen "Glutroter Mond - Undying Blood 1" gefallen hat, würde ich mich sehr über eine Rezension oder ein Feedback freuen. Als Narcia Kensing veröffentliche ich ausschließlich Indie-Projekte, d.h. ich habe für diese Romane keinen Verlag, der für mich wirbt. Ich bin auf die Meinungen und die Empfehlungen der Leser angewiesen.
     
    Der zweite Band "Nachtschwarze Sonne - Undying Blood 2" erscheint voraussichtlich im Sommer 2014.
     
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