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Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden

Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden

Titel: Eve & Caleb - 03 - Kein Garten Eden
Autoren: Anna Carey
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EINS
    Charles’ Hand lag auf meinem Rücken, während wir unter den Augen der Gäste ein Mal, dann ein zweites Mal durch das Konservatorium wirbelten. Ich hielt den Blick über seine Schulter gerichtet, um seinem schweren Atem auszuweichen. Der Chor stand am hinteren Ende des Kuppelsaals und trällerte die ersten Weihnachtslieder des Jahres. »Frohe Weihnachten«, sangen sie und ihre Münder bewegten sich in völligem Einklang, »frohe frohe frohe frohe …«
    »Lächle wenigstens«, flüsterte Charles nah an meinem Hals, als wir eine weitere Runde über die Tanzfläche drehten. »Bitte?«
    »Tut mir leid, mir war nicht klar, dass mein Unglück dir etwas ausmacht. Ist es so besser?« Ich hob mein Kinn und lächelte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Amelda Wentworth, eine ältere Dame mit rundem, wächsernem Gesicht, starrte uns fragend an, als wir an ihrem Tisch vorbeikamen.
    »So war das nicht gemeint, und das weißt du auch«, sagte Charles. Wir drehten uns schnell weiter, damit Amelda nicht noch mehr sah. »Es ist nur … die Leute bemerken es. Sie reden schon über uns.«
    »Sollen sie doch«, gab ich zurück, auch wenn ich in Wahrheit viel zu erschöpft war, um mich zu streiten. In den meisten Nächten erwachte ich noch vor Sonnenaufgang aus meinen Albträumen. Seltsame Schatten zogen sich um mich zusammen und umzingelten mich, immer wieder rief ich nach Caleb, weil ich vergaß, dass er fort war.
    Das Lied dudelte weiter vor sich hin. Charles wirbelte mich erneut über die Tanzfläche. »Du weißt, was ich meine«, sagte er. »Du könntest es wenigstens versuchen.«
    Versuchen. Darum bat er mich ständig: Dass ich versuchen sollte, mich in der Stadt einzuleben, dass ich versuchen sollte, über Calebs Tod hinwegzukommen. Konnte ich nicht versuchen, den Turm zu verlassen und jeden Tag ein paar Stunden an die Sonne gehen? Konnte ich nicht versuchen, alles was passiert war, hinter mir, hinter uns zu lassen?
    »Wenn du willst, dass ich lächle«, entgegnete ich, »sollten wir vielleicht nicht gerade diese Unterhaltung führen – nicht hier.«
    Wir bewegten uns zur anderen Seite des Saals, wo die Tische mit blutroten Tischtüchern bedeckt und mit Weihnachtskränzen geschmückt waren. Die ganze Stadt hatte sich in den vergangenen Tagen verwandelt. Lichterketten wanden sich um die Laternenpfähle und Baumstämme, die die Hauptstraße säumten. Nachgemachte Plastiktannen, deren dünne Zweige kahle Stellen aufwiesen, waren vor dem Palast aufgestellt worden. Wo immer ich hinkam, stand ein dämlich grinsender Schneemann oder hing eine grellbunte Schleife mit Goldrand. Mein neues Zimmermädchen hatte mich für den heutigen Abend in ein rotes Samtkleid gesteckt, als wäre ich Teil der Dekoration.
    Es war zwei Tage nach Thanksgiving, einem Feiertag, von dem ich schon gehört, den ich jedoch vorher noch nie gefeiert hatte. Der König hatte an einer langen Tafel gesessen und sich darüber ausgelassen, wie dankbar er für seinen neuen Schwiegersohn Charles Harris war, den Entwicklungsleiter der Stadt aus Sand. Er war dankbar für die anhaltende Unterstützung der Bürger des Neuen Amerika. Er hatte sein Glas erhoben, die von dunklen Schatten umrahmten Augen auf mich gerichtet und betont, wie außerordentlich dankbar er für unsere Wiedervereinigung sei. Ich glaubte ihm kein Wort, nicht nach allem, was geschehen war. Und auch er war misstrauisch, er ließ mich nicht aus den Augen, als warte er beständig auf ein Anzeichen von Verrat.
    »Ich verstehe nicht, warum du das durchgezogen hast«, flüsterte Charles. »Was hat das für einen Sinn?«
    »Was hatte ich denn für eine Wahl?«, entgegnete ich und wandte den Blick ab, in der Hoffnung, dass unser Gespräch damit beendet wäre. Manchmal fragte ich mich, ob er hinter die Wahrheit kommen würde: die regelmäßigen Interviews, die ich mit Reginald führte, der am Tisch meines Vaters saß und als sein Pressechef auftrat, in Wahrheit jedoch Moss, der Anführer der Rebellen, war. Ich weigerte mich, im selben Bett wie Charles zu schlafen, und wartete stattdessen jede Nacht, bis er sich auf die Couch der Suite zurückzog. Ich hielt seine Hand nur in der Öffentlichkeit und ging so weit wie nur irgend möglich auf Abstand zu ihm, sobald wir allein waren. Erkannte er nicht, dass die vergangenen Wochen, ja, seine ganze Ehe nur Tarnung waren?
    Das Lied ging zu Ende und die Musik wurde von vereinzeltem Klatschen hier und da abgelöst. Die Bediensteten umkreisten die Tische mit Tabletts
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