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0950 - Visionen des Untergangs

0950 - Visionen des Untergangs

Titel: 0950 - Visionen des Untergangs
Autoren: Christian Schwarz
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Château Montagne, Frankreich
    Der Meister des Übersinnlichen drosch wie ein Wahnsinniger auf den armen Sandsack ein. Wieder und wieder prallten die roten Boxhandschuhe darauf. Sein nackter Oberkörper pendelte hin und her, um dem schwerfällig schwingenden Hindernis auszuweichen, hin und wieder streute er noch einen Sidestep ein. Dabei verstärkte sich das unablässige Keuchen, das den Trainingsraum von Château Montagne erfüllte, jedes Mal um einige Nuancen, das Gesicht verzerrte sich fast bis zur Unkenntlichkeit. Elegant und leicht sah das alles nicht mehr aus, eher nach zähem Ringen und absolutem Durchhaltewillen. Kein Wunder, nach fast einer Stunde pausenlosen Schlagens. Zamorras Schultern und Arme fühlten sich längst taub an, seine Arme waren bleischwer. Aber noch war Kraft da, noch brannte ein verzehrendes Feuer in den grauen Augen.
    Niemand zwang den Professor zu dieser Ochsentour. Er hatte sie sich selbst auferlegt. Denn Zamorra wollte die Kraft seines Körpers spüren, wollte sie bis zur Neige auskosten.
    Es ist schön, wenn man stark ist. Und beweglich. Und vital. Man muss es sich viel öfter bewusst machen, denn es ist keine Selbstverständlichkeit. Bei mir schon gar nicht. Und noch ein Schlag, und noch einer. Ich schaff's, ich bin wieder stark. Komm, Alter, beiß die Zähne zusammen, halt die Arme oben, du hast wieder den Körper, der deinen Willen auch umsetzen kann. Einer geht noch…
    Noch immer hatte er die jüngsten traumatischen Erlebnisse nicht ganz verarbeitet, auch wenn sie bereits einige Tage zurücklagen. Dem Vampir Matlock McCain war es um ein Haar gelungen, die Quelle des Lebens zu zerstören. Das Wasser des Lebens , das auch Zamorra einst aus der Quelle getrunken hatte und das seither in seinen Adern floss und ihn relativ unsterblich machte, hatte seine Wirkung bereits verloren gehabt, sein Körper hatte deshalb innerhalb von Sekunden sein tatsächliches biologisches Alter und den damit verbundenen Ist-Zustand erreicht.
    Mir graut immer noch davor. Wäre ich mit knapp siebzig, wenn alles normal gelaufen wäre, tatsächlich so alt, schwach, gebrechlich, unbeweglich, vergesslich? Natürlich ist es mir doppelt schlimm vorgekommen, weil ich diesen Zustand nicht langsam und kontinuierlich, sondern von einer Sekunde auf die andere erreicht habe, schon klar. Keine Zwischenphasen, um sich daran zu gewöhnen. Und trotzdem. Was man hat, will man nicht freiwillig abgeben. Geht auch mir so, das muss ich mir einfach eingestehen. Scheiße, ich spüre meinen Arm nicht mehr, aber es geht, weil ich's will. Los, Faust, schlag zu. Lieber unsterblich und stark sein und bis in alle Ewigkeit gegen das Höllengezücht kämpfen müssen, mit allen Nachteilen, als normal zu altern und definitiv sterben zu müssen. Mit dem Lebenswasser in den Adern habe ich wenigstens die Illusion, dass ich ewig leben kann…
    Mithilfe Assaras, der Wächterin der Quelle, hatten er, Rhett und Dylan McMour das Verhängnis im letzten Moment noch abwenden können. McCain war dabei draufgegangen.
    Nicht schade drum.
    Leider auch die erste Unsterbliche überhaupt, Dunja Bigelow. Zamorra selbst war mit einem blauen Auge aus den dramatischen Ereignissen hervor gegangen. Assara hatte ihm nicht nur die Unsterblichkeit zurückgegeben, sondern auch seinen bisherigen Zustand eines kraftstrotzenden Vierzigjährigen. Dass ihm dieser Vorgang trotzdem grimmige Bauchschmerzen bereitete, lag zum einen daran, dass Assara für die Wiederherstellung seines Status quo Magie des Erbfolgers Rhett Saris hatte verwenden müssen.
    Zamorras Arme sanken nun doch für einen Augenblick nach unten. Er starrte durch die Panoramascheibe auf die breite Terrasse, die sich gleich an den Trainingsraum anschloss. Im geräumigen Pool planschten Rhett und Anka Crentz, dessen große Liebe, in der Sonne. Etwas Unbeschwertes lag über der Szenerie, als Rhett die junge Frau mit Wasser bespritzte, lachend auf sie sprang und sie unter Wasser drückte. Gleich darauf bildeten beide ein ineinander verschlungenes Knäuel, das sich wie ein Ball drehte.
    Rhett wirkte wie ein hübscher Sechzehnjähriger. Und meistens war er das auch. Aber er war auch der Erbfolger - ein einstmals schrecklicher Dämon, der von Lucifuge Rofocale zu einem nicht näher bekannten Zweck erschaffen worden war; mit dem Ziel, sich aus sich selbst zu erneuern, immer längere Existenzen zu durchleben und am Schluss zu Xuuhl zu werden, dem stärksten Dämon, den es jemals gegeben hatte. Merlin hatte die
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