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Wolke 7 inklusive

Wolke 7 inklusive

Titel: Wolke 7 inklusive
Autoren: Darius Nora
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N och ein paar weitere Tage dieser Güteklasse, und ich häng den Job an den Nagel.« Ein Seufzer der Erleichterung – und des Frustes begleitete Janines Worte.
    »Und was machst du dann, statt in deinem Reisebüro zu arbeiten? Brötchen verkaufen? Oder strebst du einen Job beim Finanzamt an? Soll ziemlich stressfrei sein, hab ich mir sagen lassen.«
    »Marion, die Wahnsinnige« – das war alles, was Janine der Freundin antwortete.
    Marion Klausner, seit der ersten Schulklasse Janines beste Freundin und seit drei Jahren ihre Geschäftspartnerin, lachte leise. »Ich stell mir das gerade bildlich vor … du sitzt hinter Aktenbergen, machst Dienst nach Vorschrift, buchst bei mir jedes Jahr drei Wochen Pauschalurlaub … reizvoll, der Gedanke!«
    »Was hast du gegen Finanzbeamte? Ich finde unseren Sachbearbeiter sehr nett!« Janine kicherte. »Er stottert so süß, wenn ich bei ihm vorstellig werde.«
    »Was zum Glück nicht allzu oft der Fall ist.« Marion trat
drei Schritte auf die Straße, besah sich aus der Entfernung kritisch die neue Schaufensterdekoration. Drei künstliche Palmen, etwas Sand, ein Fischernetz – und dahinter die Tafel mit den gerade aktuellen Sonderangeboten. »Wie ätzend langweilig. Da muss ich morgen noch mal was ändern.«
    »Meinetwegen. Ich will jetzt nicht mehr ans Geschäft denken, sondern heim. Bin mal gespannt, ob Dietmar endlich seine letzten Sachen abgeholt hat.«
    »Dietmar, das Sahneschnittchen mit der sensiblen Seele …« Marions Stimme hatte einen bösen, ironischen Klang. »Dass du den endlich los bist, sollten wir mit Champagner feiern!«
    »Okay, ich geb eine Flasche aus. Aber erst wenn feststeht, dass Dietmar wirklich ausgezogen ist.«
    Was nicht der Fall war. Wieder einmal nicht! Und diese Tatsache war absolut nicht dazu angetan, Janines Laune zu heben. Erst ein Tag mit schlechtem Umsatz, nörgeligen Kunden und einer Computersoftware, die jeden Benutzer an den Rand des Wahnsinns trieb, und jetzt noch ihr Ex-Lover, der mit Leidensmiene in seinem Lieblingssessel im Wohnzimmer saß – nebenbei gesagt, war es Janines Sessel und Janines Wohnzimmer – und zur Begrüßung sagte: »Endlich! Ich dachte schon, du kämst gar nicht mehr.«
    »Und ich dachte, du wärst endlich weg.«
    »Aber …«
    »Nein!« Janines Augen, sonst von einem sanften Graublau,
schossen silberne Blitze. »Du ziehst aus. Heute noch! Pack endlich, Dietmar, sonst tu ich es für dich.« Die Vorstellung, seine Klamotten samt der von ihm so heiß geliebten Gitarre aus dem Fenster schleudern zu können, ließ ihr Stimmungsbarometer gleich um ein paar Grad steigen.
    »Mausi …«
    »Es hat sich ausgemaust. Dietmar, es ist vorbei. Schnall es endlich!«
    »Du bist herzlos!« Langsam stand er auf, ging ins Schlafzimmer und holte dort – welch Wunder – seinen gepackten Rucksack und zwei Tragetaschen raus. Die Gitarre schulterte er in der Diele. »Ja, dann …«
    »Tschüss. Mach’s gut. Und fang endlich an, im 21. Jahrhundert zu leben. Für Tagträumer ist da kein Platz!«
    »Wenn alle Menschen so unsensibel wären wie du, stünde es schlecht um die Kunst!«, tönte es höchst vorwurfsvoll von den Lippen des gut aussehenden Mannes. Seit Jahren träumte Dietmar von einer Karriere als Sänger. Dass dies allerdings mit harter Arbeit verbunden war, mochte er nicht gelten lassen. Er wollte entdeckt und dann schlagartig ein Star werden.
    Am Anfang ihrer Beziehung hatte Janine dies noch amüsiert zur Kenntnis genommen. Sie fand es auch nicht allzu schlimm, dass ihr Freund keinen festen Job hatte. Doch mit der Zeit änderte sich ihre Einstellung.
    Noch ein letzter Blick, der Janine fatal an ein waidwundes
Reh erinnerte, dann ging Dietmar. Begleitet von Janines erleichtertem Seufzer – den er aber nicht mehr hörte. Hoffentlich zumindest, denn es hätte seiner sensiblen Seele sicher erneut zugesetzt. Wie so vieles an Janine Dietmar irritiert und an seinem Ego gekratzt hatte.
    Dietmar Terholen, dreiunddreißig Jahre alt, Student der Philosophie und Sozialwissenschaften seit mehr als zehn Jahren. Mit dem Hang zur Bühne. Gut aussehend. Ebenso liebenswert wie phlegmatisch. Charmant und stur.
    Das Gegenteil von Janine. Sie war lebensbejahend. Couragiert. Optimistisch. Fleißig und ehrgeizig. Sie stand mit beiden Beinen im Leben.
    »Dein Tempo macht mir Angst«, lautete einer von Dietmars Lieblingssätzen. Und dennoch hatte er sich für fast sieben Monate bei Janine eingenistet. Am Anfang war es mehr als ein
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