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Gezeiten des Krieges

Gezeiten des Krieges

Titel: Gezeiten des Krieges
Autoren: Loren Coleman
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ergänzte der Anführer des Ijori De Guäng tonlos den Satz. »Es ist nicht das erste Mal, dass ich solche Versprechen brechen muss.«
    Was machte schon ein Mensch mehr aus, der das capellanische Volk und Evan im Stich ließ? Evan war als Staatsmündel aufgewachsen und hatte gelernt, die meisten Enttäuschungen wegzustecken. Doch zum ersten Mal seit Jahren fühlte er sich verraten. Er fühlte es tief in sich, dort, wo noch gar nicht lange zuvor die Flamme der Hoffnung gelodert hatte. Hätte das Geheimnis, das er bewahrte, etwas bewirken können, so hätte er es vor aller Ohren ausgesprochen. Aber es hätte nichts genutzt. Er hörte den Klang der Niederlage in Mai Uhn Was Sti mm e. Der Sifu der Bewegung war erschüttert, leer und verbarg es vor seinen Anhängern.
    Evan wandte sich ab. Er nahm keine Notiz von den Fragen, die Mai geschickt abwehrte. Er wanderte zum Rand der Kuppe und starrte hinaus über das dunkle Tal, während hinter ihm die Kadermitglieder ihre Pläne - und sich gegenseitig - in den leeren Lastern zurückließen.
    Dann herrschte Stille. Eine Weile.
    »Du bist wütend.«
    Evan wusste, dass Mai Wa nicht abgefahren war. Der Blick des Rebellenführers hatte sich keine Sekunde von Evans Nacken gelöst. Seine Augen brannten ihm Löcher in die Haut.
    »Wut hat ihre guten Seiten, Evan Kurst, doch wenn du ihr gestattest, dein weiteres Handeln zu bestimmen, wird sie dich ins Verderben führen.«
    »Ich brauche Ihnen nicht mehr zuzuhören, Mai Uhn Wa. Was ich als Nächstes tue, ist allein meine Sache.« Er würde ein Macher sein, nicht jemand, der nur Entschuldigungen hervorbrachte.
    »Wenn du wirklich glaubst, es gefiele mir, jahrelange Arbeit in einer Nacht scheitern zu sehen, unterliegst du einem schweren Irrtum und bist nicht der Mann, von dem ich geglaubt habe, dass du zu ihm werden könntest.« Evan bemerkte, dass Mai nicht sagte »der Mann, für den ich dich gehalten habe.« Der Sifu starrte durch Evan hindurch. »Ich kenne bedeutendere Personen als dich, denen gegenüber ich mich für diesen Fehlschlag verantworten muss. Diesmal habe ich gespielt und verloren. Liao ist auf sich gestellt.«
    Evan hatte kein Vertrauen mehr zu dem, was der andere sagte. Mai Wa behauptete, Verbindungen zu den höchsten Stellen zu haben. Angeblich war er im Lauf der Jahre an einigen Aufständen auf Liao beteiligt gewesen. Er hatte das Ijori De Guäng aufgebaut, und jetzt ließ er sie im Stich. Das war das Einzige, was Evan wusste. Dass Mai es für notwendig hielt, spielte für Evan keine Rolle.
    Was noch wichtiger war, es spielte keine Rolle für das capellanische Volk.
    Evan wartete, bis das Aufheulen leistungsstarker Turbinen die Schritte ablöste, so lange, bis auch die letzten Klänge des Schwebers auf der Landstraße verklungen waren. Er schaute zu, wie sich der Himmel um den Achsstern drehte, eine Parade himmlischer Wesen. Nachdenklich. Planend.
    »Wir waren schon immer auf uns allein gestellt«, flüsterte er schließlich in die dunkle Sommernacht hinein.
    Aber das traf nicht notwendigerweise zu.
    Nicht mehr.
    T eil i
    Politik der Zerstörung
    Der Weg zur Erlösung
    »Es wäre ein Fehler, den Umzug Präfekt Taos nach New Aragon als Zeichen einer Entfremdung zur Regierung der Präfektur auszulegen, die auch weiterhin auf Liao bleiben wird. Wir alle akzeptieren die Notwendigkeit, Mittel und Möglichkeiten den neuen strategischen Erfordernissen anzupassen.«
    Lordgouverneur Marion Hidi 9 Aufgezeichnete Ansprache von Liao,
    12.Januar 3134
    Palast des Himmels, Zi-jin Cheng (Verbotene Stadt), Sian Kommunalität Sian, Konföderation Capella
    8. März 3134
    Durch den Korridor hallten Schritte. Mai Uhn Wa nickte. Er saß im Schneidersitz auf der dünnen Matratze und spürte durch die anderthalb Zentimeter lok-keres Polster und die zerschlissene Gefängnishose hindurch den kalten Steinboden. Auf den nackten Unterarmen hatte sich eine Gänsehaut gebildet.
    Er saß mit dem Gesicht zur grauen Hohlziegelwand der Einzelhaftzelle gewandt und war konzentriert vornüber gebeugt. Ein paar graue Haarsträhnen fielen ihm ins Gesicht, als er die selbst hergestellte Farbe auf die poröse Steinoberfläche auftrug. Die Tusche bestand aus ranzigem Schweinefett, das er unter der Tag und Nacht brennenden Beleuchtung langsam gekocht hatte, vermischt mit Soja und Rote-Beete-Saft. Er benutzte einen Tuchstreifen, den er von der Gefängnisuniform abgerissen hatte, als Pinsel. Er drehte ihn um zwei Fingerspitzen, tauchte ihn in die dunkle Farbe und
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