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Gezeiten des Krieges

Gezeiten des Krieges

Titel: Gezeiten des Krieges
Autoren: Loren Coleman
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klein und stämmig. Er neigte nicht zu ausladenden Gesten, und wäre man ihm auf der Straße begegnet, hätte man ihn -solange man nicht die Augen bemerkte - sicher für einen x-beliebigen Bürger asiatischer Abstammung gehalten. Sie waren schwarz und hart und blinzelten zu selten. Es waren Augen, die zu viel gesehen hatten ... und sahen.
    Und dennoch würde Evan seinem Mentor etwas zeigen, was sich dieser niemals hatte träumen lassen.
    Der Gedanke wärmte ihn und machte ihm neue Hoffnung, bis Mai Wa den Blick über den hier versammelten Kader schweifen ließ und einmal langsam den Kopf schüttelte.
    »Das Landungsschiff kommt nicht«, teilte der alte Mann ihnen ohne Umschweife mit. »Unser Netzwerk außerhalb des Planeten ist gefährdet.«
    »Gefährdet?« Gregori klang, als habe er Mühe, die Bedeutung des Wortes zu begreifen. »Wie? Wer?«
    Evan hatte nie nach Mais Kontakten im All gefragt. In einer Widerstandszelle war es besser, so wenig wie möglich zu wissen. Evan wusste jetzt schon mehr über die Operationen auf Liao, als er eigentlich hätte wissen dürfen. Er nahm an, dass dies an seiner Position als viel versprechender MechKrie-ger-Anwärter lag. Bei den anderen Mitgliedern der Gruppe verschaffte ihm das einen Einfluss, den Mai Wa im Laufe des Jahres genutzt hatte.
    Jetzt bedauerte er, nicht danach gefragt zu haben. Das schränkte seine Möglichkeiten als Ratgeber erheblich ein.
    »Vor drei Tagen haben die Zollbehörden auf Genoa den gesamten Abreiseverkehr gestoppt«, erläuterte Mai Wa. »Im Verlauf der routinemäßigen Überprüfungen kamen ein paar ... Unregelmäßigkeiten ans Licht. Das Landungsschiff wurde bei dem Versuch, den Behörden zu entkommen, zerstört.«
    Damit war ohne Zweifel ein großer Teil von Mai Was Netzwerk in Gefahr, wie Dominosteine, die nur auf einen Stoß warteten, einer nach dem anderen umzukippen. Wie schlimm war dieser Rückschlag? Und warum hatte man den gesamten Abreiseverkehr gestoppt? Die Folgen einer solchen Störung ... verblassten neben denen einer bereits bestehenden, noch viel erheblicheren Störung.
    »Der Black-out.« Evan spie das Wort wie einen Mund voll verdorbenes Naranji-Fruchtfleisch aus. Dieses Timing konnte kein Zufall sein. »Genoa hat bemerkt, dass wir schon wieder aus dem HPG-Netz gefallen waren.«
    »Ja«, erwiderte Mai. »Und nein. Eigentlich nicht.« Der kleinwüchsige Mann schien eine gewaltige Last zu tragen, und nun entledigte er sich ihrer, so schnell es ging. »Vor vier Tagen erlebte man auf Genoa etwas, das uns erspart geblieben ist. Jedenfalls in gewisser Weise. Nahezu alle Welten verstummten. Innerhalb von sechs Stunden verlor Genoa den HPG-Kontakt mit allen Systemen außer einem, New Aragon. Und New Aragon meldete dasselbe.«
    Die Bedeutung dieses Geschehens überrollte Evan Kurst wie ein Kampfpanzer. Hyperpulsgeneratoren hatten eine Reichweite von fünfzig Lichtjahren. Zwei Welten meldeten einen vollständigen Verlust aller Signale von praktisch allen besiedelten Systemen in diesem Umkreis?
    »Arboris?«, fragte jemand. »Ning Po? Und Gan Singh?« Nachbarwelten. »New Canton?« Die Zentralwelt der Präfektur VI.
    Mai konnte nicht viel mehr dazu sagen. »Bisher ist nur ein einziges Sprungschiff mit Neuigkeiten angekommen. Gerüchteweise soll ein sporadischer Kontakt mit New Canton möglich sein. Und mit Acher-nar in Präfektur IV. Doch unter Umständen haben wir es mit einem Ausfall von gut neunzig Prozent des ComStar-Netzes zu tun. Falls sich das auch bis in die Großen Häuser an unseren Grenzen erstreckt...«
    Hunderte. Tausende Welten. Isoliert. Evan versuchte die ganze Tragweite zu erfassen. Es gelang ihm nicht. »Was ist mit unserer Arbeit hier?« Der erwartete Nachschub war alles, was sie benötigten, um eine echte Widerstandsbewegung aufzubauen. Um das Ijori De Guäng zu mehr als einer Splittergruppe zu machen. Evan spürte, wie ihre Arbeit zerbrach.
    »Sie ist vorbei«, gestand Mai. »Jedenfalls vorerst. Außerhalb des Systems herrscht das Chaos, und vermutlich wird es in Kürze auch hier ausbrechen. Wären wir vorbereitet, so wäre dies eine glänzende Gelegenheit.« Für einen kurzen Moment loderte es in den dunklen Augen auf. Dann: »Aber das sind wir nicht.«
    Wütend trat Evan auf ihn zu. Seine Finger juckten und er dachte an den Nadler. »Wir sind Ihretwegen hier draußen, wir alle hier«, klagte er Mai Wa an. »Sie haben uns Versprechen gegeben.«
    »Die ich nicht mehr halten kann.« Als spräche er mit jemandem weit entfernt,
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