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Die Nacht von Granada

Die Nacht von Granada

Titel: Die Nacht von Granada
Autoren: Brigitte Riebe
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Prolog
Granada, Oktober 1499
    W oher kamen so plötzlich die Rotkappen? Wie ein aufgestörter Hornissenschwarm umkreisten sie die versammelten Männer, die gerade noch andächtig im Gebet vertieft waren, stießen sie mit Knüppeln grob zu Boden oder zwangen sie zum Aufstehen, indem sie sie mit ihren Morgensternen und Kurzschwertern bedrohten.
    Manche der Betenden schienen vor Angst wie gelähmt, zogen die Köpfe ein, als könnten sie sich damit unsichtbar machen, andere erhoben gehorsam die Hände, um anzuzeigen, dass sie unbewaffnet waren. Luceros brutale Landsknechte wirkten beinahe enttäuscht, als hätten sie mit deutlich mehr Widerstand gerechnet, den es zu brechen galt. Im ersten Licht der Dämmerung wirkten sie in ihren grellen Fetzengewändern geradezu gespenstisch, ein wilder, zu allem entschlossener Haufen, wie direkt der Hölle entstiegen.
    »Khaled?«, rief der Anführer, ein einäugiger Hüne mit einer gezackten Narbe, die ihm übel das Gesicht zerschnitt. Dass er kein Spanier sein konnte, war unübersehbar, und Arabisch, die heilige Sprache Allahs, nahm er erst gar nicht in den Mund. Doch auch sein Kastilisch klang, als zische eine verborgene Schlange tief aus seinem Rachen, ganz anders als der weiche andalusische Dialekt mit seinen halb verschluckten Endsilben, den die Christen hier sprachen. »Welcher von euch ist Khaled, jener gottverdammte Hurensohn, der unseren Herrn Jesus gemein verraten hat?«
    Keiner wagte zu antworten.
    Auf sein Nicken hin glitten die scharfen Waffen tiefer, hin zu Körperregionen, die zu verletzen äußerst gefährlich für einen Mann werden konnte.
    Jetzt stank der ganze Raum nach Angst.
    »Wenn nicht endlich einer von euch das Maul aufmacht, seid ihr alle dran«, dröhnte der Hüne. »Also? Wer von euch ist klug und möchte sein armseliges Leben wenigstens noch für ein Weilchen behalten?«
    Einer der Versammelten machte eine winzige Bewegung, erstarrte dann aber, als hätte ihn erneut der Mut verlassen. Dem Hünen jedoch war nichts entgangen.
    »Fasst ihn!«, schrie er. »Und bringt ihn her zu mir!«
    Zwei der Landsknechte machten sich daran, seinen Befehl auszuführen. Ein junger Maure jedoch war schneller gewesen und hatte den Gesuchten mit einem kräftigen Rempler aus dem offenen Fenster gestoßen. Man hörte den fülligen Khaled draußen aufschlagen, dann einen unterdrückten Schrei, schließlich das Geräusch nackter Füße, die eiligst davonhumpelten.
    »Du Hundsfott!«, schrie der Hüne und stürzte auf den jungen Mauren los. »Dich einem wie mir zu widersetzen – was bildest du dir ein?« Doch der Dolch, den der andere plötzlich in seiner Hand aufblitzen ließ, brachte den Angreifer mitten in der Bewegung zum Stehen.
    »Das Leben ist wie eine Stunde, so steht es im Koran geschrieben«, rief der junge Maure und seine Lippen waren zu einem aufsässigen Lächeln verzogen. »Deshalb sorge dafür, dass Gott stets mit dir zufrieden ist.«
    All seine Aufmerksamkeit war auf den Angreifer vor ihm gerichtet, deshalb bemerkte er den Schatten neben ihm nur aus den Augenwinkeln.
    Zu spät, um noch rechtzeitig reagieren zu können.
    Ein Schefflin, wie die Söldner ihre kurzen Wurfspieße nannten, bohrte sich in seinen Oberarm. Der Dolch entglitt seiner Hand, fiel klirrend zu Boden. Schmerzerfüllt schrie er auf, als er den Spieß herauszog und fallen ließ. Er wankte, rührte sich aber nicht von der Stelle.
    Der rechte Ärmel seiner hellen Djellaba wurde dunkel von Blut.
    »Worauf wartest du noch? Lauf zu, Junge, bring dich in Sicherheit!« Malik, der bullige Schächter, bückte sich, setzte seinen blanken Schädel wie einen Rammbock ein und stieß den Verletzten aus dem Fenster, als wiege er kaum mehr als ein Lumpenball.
    Das war der letzte Dienst, den er dem bedrängten Freund noch hatte erweisen können. Dann drang die Schwertklinge des blonden Hünen in sein Herz und löschte sein Leben aus.
    »Kein Taufbecken dieser Welt wird aus einem Mauren jemals einen wahrhaften Christen machen«, murmelte der Einäugige, nachdem er die blutige Klinge mit einem Lappen sorgfältig gesäubert hatte, und nun überwachte er, wie seine Landsknechte die Männer fesselten, um sie zum Verhör abzuführen. »Euer Blut bleibt unrein wie das der getauften Juden, was immer ihr auch schwören mögt. Wir kriegen euch. Alle. Schneller, als ihr euch in euren dunkelsten Albträumen ausmalen könnt. Treibt sie nach draußen – und dann legt alles hier in Schutt und Asche!«
    Verzweifelte Blicke. Tiefes
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