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Ewig

Ewig

Titel: Ewig
Autoren: Gerd Schilddorfer , David G. L. Weiss
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Prolog – 7.3.2008
Wien/Österreich
    D er dunkle Wagen glitt fast lautlos über das Kopfsteinpflaster der Innenstadt in Richtung Donaukanal. Die beiden Männer hinter den getönten Scheiben hingen ihren Gedanken nach und hatten für die erleuchteten Fassaden der Palais und Patrizierhäuser, die draußen vorbeizogen, keinen Blick. Figuren und Denkmäler, Gedenktafeln und Heiligengruppen wurden von den Scheinwerfern des schweren Audi in helles Licht getaucht, um gleich wieder in der Dunkelheit zu verschwinden. Unter einem geschwungenen Baldachin reichten sich Maria und Josef aus Bronze gegossen die Hände zum Bund der Ehe, der Hohepriester nickte seinen stummen Segen, von den Vorbeifahrenden weder gewürdigt noch beachtet.
    Wien Anfang März war kein anheimelnder Ort. Es nieselte und der braune Schneematsch war vom Regen fast völlig in die Kanalisation gespült worden. Die Touristen waren weitergezogen, südlich, der Wärme nach und der Sonne entgegen. Wien gehörte wieder den Wienern, und die hatten es eilig, ins warme Wohnzimmer zu kommen. Die Straßen waren um diese Zeit leer und wie ausgestorben. Von irgendwoher schlug eine Kirchenuhr dreiviertel neun.
    Der kleinere der beiden Männer im Wagen schaute zum fünften Mal in der letzten halben Stunde auf seine Uhr. »Wir müssen uns beeilen, sonst ist das Tor gesperrt«, sagte er und vermied es dabei, den neben ihm sitzenden hageren Mann anzusehen, der einem Modemagazin entstiegen zu sein schien. Hochgewachsen, in Anzug mit passendem Stecktuch und langem schwarzem Mantel, einen weißen Schal lässig umgelegt und schwarze Rindslederhandschuhe im Schoß, schaute er gelangweilt auf den Rücken des Chauffeurs. Die Stadt interessierte ihn nicht, er kannte sie gut genug, um zu wissen, wo sie waren.
    Der offene Platz versickerte in mehreren engen Gassen. Die Scheinwerfer des Wagens strahlten plötzlich ins Leere. Die Fahrbahn war zu Ende. Breite Stiegen führten hinunter zum Fluss.
    Als die Limousine in der dunklen Sackgasse anhielt, schien die Stadt weit hinter ihnen geblieben zu sein. Aber das täuschte. Sie waren in ihrem Herzen angelangt. Es war plötzlich ruhig und man hörte in der Ferne das leise Plätschern eines Gewässers. Nicht weit von ihnen warfen die Fenster einer kleinen Kirche gelbes Kerzenlicht auf die feuchten Pflastersteine.
    Der große Mann zögerte keinen Moment, als der Schlag geöffnet wurde. Er stieg aus, blickte sich kurz um wie ein Jagdhund, der die Witterung aufnahm, und nickte dem Chauffeur zu, bevor er zu dem alten Kirchentor hinüberging. Der kleinere Mann war ihm vorausgeeilt, hielt den Flügel der schweren Holztür offen und lief dienstfertig in die Dunkelheit voraus, bevor der Mann im langen Mantel ihm einen fragenden Blick zuwerfen konnte.
    Vor den Seitenaltären des kleinen alten Gotteshauses brannten einige Dutzend Kerzen. Ihr Licht schaffte es kaum, die Dunkelheit zurückzudrängen, die wie ein weiches schwarzes Tuch in alle Ecken der Kirche gefallen war. Es roch nach Staub und altem Stein, nach langen Gebeten und verschämten Beichten. Der kleinere der beiden Männer eilte zur Empore, blickte sich um und sah die hagere Figur im schwarzen Mantel im Mittelgang stehen, wie ein Teil der Dunkelheit. Unbeweglich verharrte die hochgewachsene Gestalt, den Kopf vorgestreckt wie ein Adler, lauernd. Dem kleineren Mann wurde plötzlich kalt und er zögerte, sein Magen zog sich in einer dunklen Vorahnung zusammen. Dann fing er sich, griff in seine Jacke und zog eine kleine, starke Taschenlampe heraus, knipste sie an und richtete sie nach oben. Der weiße Lichtkreis schnitt durch die Dunkelheit. Putten, Ornamente und Heiligenfiguren erwachten kurz zum Leben, erstrahlten und erstarrten wieder, versanken in der Finsternis.
    Als der Lichtkreis endlich sein Ziel erreicht hatte und anhielt, nur mehr leicht zitterte, trat der große Mann näher, lautlos, wie über die alten, abgenutzten Steinplatten schwebend.
    Sein Blick folgte dem Lichtstrahl zur Empore, hinauf zu den fünf Buchstaben und der Zahl, die nun aufzuleuchten schienen. Seine Miene verriet keine Regung, seine Augen ruhten für einige Sekunden unverwandt auf der Empore, der Schrift und der Jahreszahl. Ohne seinen Blick auch nur eine Sekunde abzuwenden, zog er die rechte Hand aus der Manteltasche und mit einer fließenden, schlangenhaften Bewegung setzte er die Pistole auf die Schläfe seines Begleiters und drückte ab. Sein Opfer hatte die Gefahr nicht kommen sehen. Es gab ein leises Plopp, und
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