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Flammenopfer

Flammenopfer

Titel: Flammenopfer
Autoren: Joerg Liemann
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zu Sternenberg. » Chef«, imitierte er Tarek leise, » wo ist dein Architekt? In seinem Kalender ist kein Termin eingetragen. Sonst hat er alle Termine notiert, im Buch oder im Planer. Beide liegen hier, genau wie die Autoschlüssel.«
    » Du meinst, er ist nicht weg? Haben wir etwas übersehen?«
    Wolfgang Lichtenberg stand am Fenster und schaute weit über Berlin. Plötzlich drehte er sich um und nickte. » Den Keller.«
    » Scheiße. Ja. Was ist mit Kellerschlüsseln?«
    Wolfgang Lichtenberg nahm seine Jacke von einem der Sessel und zog sie sich über.
    » Wo willst du hin?«, fragte Sternenberg. » Wolf, ich gehe allein. Wenn es unten etwas gibt, sage ich euch Bescheid. Wer hat die Kellerschlüssel gesehen?«
    Er nahm den Fahrstuhl und ging vom Erdgeschoss über die Treppe in den Keller. Dort war die Modernisierung nicht angekommen. Die Stahltür klemmte zunächst, und Licht war auch nur notdürftig verlegt. Ein Schalter aus Bakelit. Da die einzelnen Holzverschläge nicht nummeriert waren, probierte Sternenberg den Schlüssel an mehreren Vorhängeschlössern.
    Da hat einer so eine gigantische Penthauswohnung – und der Keller ist ein Holzverschlag von vor hundert Jahren. Mit Spinnen, fügte er hinzu, weil sich im schwachen Lichtschein in Höhe seines Kopfes etwas in dieser Art zur Paarung oder zur Nahrung regte.
    Für das Innere der Kellerparzelle hätte er eine Taschenlampe gebraucht. Oben auf dem Dach eine doppelte Fensterfront, hier unten meint man, nicht repräsentieren zu müssen. Wozu also Licht? Er erinnerte sich an Julia Graus Bemerkung, als sie bei ihm auf dem Dach gesessen hatten: dass die Altbauten von oben her renoviert werden, wie Zahnkronen. Aber wie faul es darunter ist, interessiert niemanden.
    Und hier fault es gewaltig, dachte Kai Sternenberg. Er betastete Kisten, dann öffnete er eine, deren Papplaschen nur ineinandergeschoben waren. Er steckte den Arm hinein. Was er fühlen konnte, waren Bücher. Er erinnerte sich an seine Streichhölzer. Die Kellerdecke war sehr niedrig, beinahe stieß er mit dem Kopf daran. An ihr waren noch Rohre festgedübelt. Ansonsten das übliche Gerümpel. Am bemerkenswertesten war ein gar nicht staubiges Weinregel und eine mit Plastikfolie umwickelte Bronzegussstatue auf einem Granitsockel, die van Tannen wahrscheinlich als geschmacklos, vielleicht auch als wertlos eingestuft hatte.
    Weshalb ist dieser Ort der Mittelpunkt des Brandsterns? Was ist hier verborgen, fragte er sich. Überhaupt irgendetwas Sichtbares? Oder sind die einzigen Rückstände der Brandstiftungen ausschließlich in van Tannens Kopf?
    Irrten sie sich, wenn sie diese Wohnung, dieses Haus als Mittelpunkt des Sterns identifizierten? Und wusste Peter van Tannen davon, oder war er das Opfer einer bösartigen Symbolik?
    Wenn Peter van Tannen und Tobias Traube nur telefoniert hatten und sich gar nicht kannten – wie hätte van Tannen sein mögliches Mordopfer auf dem Dach erkennen sollen? Gut, es musste ein Mann sein, der ihm auf der Spur war. Und Traube war kurz zuvor im Fernsehen gewesen. Viel wichtiger ist, dass Traube van Tannen wahrscheinlich nie zuvor gesehen hat. Was wäre, wenn er bei seinen Ermittlungen auf dem Dach einem fremden Menschen gegenübergestanden hätte?
    Kai Sternenberg war sich plötzlich sicher, im Keller nichts zu finden. Er öffnete noch die eine oder andere Kiste und opferte weitere Streichhölzer, aber das war nur reine Pflichterfüllung ohne zielende Zuversicht.
    Er schloss den Verschlag und wischte sich Spinnweben aus dem Gesicht. Vom Treppenflur war ein Scharren zu hören. Er hatte die Metalltür offen gelassen. Einen Mieter, der herunterkommen würde, wollte er freundlich und verbindlich grüßen, das würde am wenigsten auffallen.
    Sternenberg schüttelte den Kopf über das Gängelabyrinth. Er fragte sich, ob erst mit der Schaffung von Luftschutzkellern so verschachtelt gebaut wurde, oder ob das schon immer so gewesen war. Luftschutzbunker, dachte er – wenn die Generation unserer Väter gestorben ist, wird sich niemand mehr daran erinnern. Zum Glück einerseits, andererseits …
    Er schloss die Metalltür ab und sah sich um. Ein Scharren hatte er zwar gehört, aber niemanden bemerkt, der durch die Haustür hinausgegangen wäre. Er hatte auch die Haustür nicht zufallen hören.
    Er stieg eine halbe Treppe hinauf, um zum Fahrstuhl zu gelangen. Da stand vor einer Wohnungstür im Erdgeschoss Peter van Tannen. Die Tür war einen Spaltbreit offen. Wie Sternenberg später
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