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Flammenopfer

Flammenopfer

Titel: Flammenopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Liemann
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fiel Sternenberg auf, dass van Tannen einen Befestigungskreis genau dort eingezeichnet hatte, wo sie die Sternform der Brandstiftungen ausgemacht hatten. Schlimmer noch: Die Brandstiftungen waren tatsächlich als rote Punkte markiert. Soweit er sehen konnte, gab es nur wenige Abweichungen von der in ihrem Besprechungsraum angefertigten Folienkarte.
    In der Mitte befand sich eine Festungslinie von sehr viel kleinerem Durchmesser. Van Tannen berührte sie mit dem Bajonett. » Das sind die dreizehn Bastionen von 1683. Und hier die sechs Tore. 82 Geschütze waren erforderlich. Sie müssen weiterdenken. Diese Festungslinie war schon damals zu klein dimensioniert. Sie entsprach auch nicht den maßgeblichen Werten.«
    » Was heißt das? Was sind die maßgeblichen Werte?«
    » Das verstehen Sie nicht.«
    » Wahrscheinlich nicht«, räumte Sternenberg ein. » Ich bin ein Angehöriger der Polizei. Bei weitem habe ich nicht Ihre Kenntnisse und Fähigkeiten. Aber es beeindruckt mich.«
    » Sie müssen das Verhältnis zwischen dem Stadtwachstum, dem Verteidigungsfaktor, dem Jahr und der Anzahl wehrwilliger, ehrenhafter Männer errechnen.« Er wartete auf Sternenbergs Antwort.
    Sternenberg nickte und sagte nichts, bis van Tannen fortfuhr. » Die Formel werde ich Ihnen nicht verraten. Es gibt eine Basislinie, das ist diese hier.« Er zeigte auf die Linie der Brände und der toten Menschen in ihren Dachgeschosswohnungen.
    » Basislinie heißt, dass es weitere Linien gibt?«, fragte Sternenberg.
    Ohne zu antworten, erklärte van Tannen: » Von der Basis aus müssen Sie exponenzieren. Drei Linien muss es geben. Die innere ist die Feuerlinie. Von den anderen kann ich Ihnen nicht berichten. Dazu sind Sie nicht befugt.«
    » Ja«, sagte Sternenberg.
    » Sie sind nicht befugt. Aber die Feuerlinie ist das, um was wir uns als Erstes kümmern müssen.«
    » Dürfen Sie mir etwas über diese Feuerlinie sagen? Wieso heißt sie so?«
    Van Tannen fixierte die Spitze des Bajonetts. » Die Feuer leuchten, sie zeigen den Weg, sie spenden Luft und Ehre beim Vorrücken. Wir müssen die Fackeln entzünden und markieren, wohin es geht. Wir müssen berechnen und wissen, wohin das Feuer uns bringt. Aber das verstehen Sie nicht.«
    » Ich versuche es. Ich bin ungeübt darin und kenne mich nicht aus. Ich sehe nur, dass es genial und sehr faszinierend ist.«
    Van Tannen lief rot an und schrie: » Was glauben Sie denn alle, was die Hölle ist? Die Hölle ist das Geschenk an uns, das uns retten kann, als Einziges. Die Feuer sind das Leben! Das Feuer der Hölle rettet uns, wenn sie uns angreifen. Sie werden uns angreifen. Bald, sehr bald! Ihre Zahl wird unüberschaubar sein, ihre Waffen sind nicht die modernen, anonymen Waffen, sondern die alten, perfekten Waffen. Sie beherrschen die Kriegskunst, wir nicht. Wir haben nur das Feuer, und ihr verachtet das Feuer!«
    Sternenberg tastete mit der Hand nach einem Stuhl. Sehr langsam ließ er sich auf ihm nieder. Nicht, dass es ihn beruhigt hätte zu sitzen. Aber er wollte van Tannen beruhigen. Ihm nicht widersprechen. Diesem kleinen Jungen, der sich durchsetzt. Mit aller Vorsicht nickte Sternenberg. » Wie werden sie sein, die Angreifer?«
    » Sie glauben es ohnehin nicht. Es ist Verschwendung, einem Polizisten davon zu erzählen.«
    Sternenberg sah auf das Gewehr, um van Tannens Blick nicht mehr streifen zu müssen. Das war ihm inzwischen zu heikel geworden. » Ich bin Kriminalhauptkommissar. Das entspricht einem Hauptmann. Glaube ich. Irgendjemand bei der Polizei sollte von den Angriffen wissen. Ich bin nur ein Laie. Ich habe nicht Ihr Wissen. Ich könnte Ihnen aber im entscheidenden Moment Freiräume schaffen.«
    Van Tannen schien nachzudenken. » Wenn Sie sich nicht mit Nebensächlichkeiten beschäftigen würden, hätten Sie es längst gesehen. Es sind die Staaten, die sich zusammenschließen. Europa, Russland, die Vereinigten Staaten, die Arabische Liga, die Afrikanische Union, die ASEAN im Pazifik … Sehen Sie das nicht? Unter der Flagge der UNO werden sie sich vereinen und heranschreiten und uns überrennen, weil wir uns nicht organisiert haben zu einer wehrfähigen Stadt. Sie werden sich verbünden. Mit den Habenichtsen werden sie zusammengehen, sie werden den Unbewaffneten einfache, alte, präzise Waffen in die Hand geben, und zu Abermillionen werden sie uns überrennen. Das wundert Sie, oder? Weil Sie die ganze Zeit unnützes Zeug treiben. Wir aber haben die Flamme, das Licht, die Gewalt, wenn wir nur

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