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Feuersteins Drittes

Feuersteins Drittes

Titel: Feuersteins Drittes
Autoren: Herbert Feuerstein
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VORWORT

    Dieses Buch hat eine Verspätung von fünfzehn Monaten. Das ist mehr als Bahn UND Lufthansa zusammen, und es ist mir ziemlich peinlich, denn eigentlich bin ich recht zuverlässig. Aber was kann ich dafür, wenn der Verlag Pleite geht?
    Im Frühjahr 2000 war das erste Buch dieser Reihe erschienen, Feuersteins Reisen. Weil viele Verlage bereit sind, von uns Fernsehmenschen den größten Schrott zu akzeptieren, im Bewusstsein, dass es ja schließlich die BILD-Zeitung gibt, wo man zur Not ein Nacktfoto des Autors unterbringen kann, hatte ich noch vor dem Schreiben der ersten Zeile mit dem einen oder anderen Kontakt aufgenommen, wie man das eben so macht. Aber das Ergebnis war unbefriedigend, denn sie alle wollten dreinreden: Umfang, Aufmachung, Bildverteilung, Zielpublikum, Marketingstrategie und weiß der Teufel was sonst noch. Wer wie ich zwanzig Jahre lang selbst mit Zeitschriften und Büchern zu tun hatte, kann mit solchen Vorgaben nicht umgehen: Ich hatte nun mal eine ganz bestimmte Vorstellung für mein Buch und bin schrecklich stur und unbeweglich, wenn ich mir was in den Kopf gesetzt habe.
    Da fiel mir Gerd Haffmans ein, den ich noch von früher kannte und dessen kleiner Verlag in Zürich ein ebenso feines wie verspieltes Programm hatte. Wenn man in den besseren Buchhandlungen nach seinen Titeln fragte, trat gewöhnlich ein Leuchten in die Augen der Verkäufer. »Er macht so wunderschöne Bücher«, bekam man dann immer zu hören, »schade, dass wir kaum eins davon verkaufen.« Da war mir klar: Das ist mein Mann.
    Ich traf mich mit Gerd Haffmans, und wir waren sofort einig: JA, er würde das Buch genau so machen, wie ich es wollte, und NEIN, er könne leider keinen Vorschuss zahlen. Das war mir recht, denn so sehr ich sonst hinter der Kohle her bin: Beim Schreiben bin ich Idealist. Keine andere Arbeit nehme ich so ernst, ich quäle mich richtig damit ab, und es mag abgegriffen und pathetisch klingen, aber ich meine es ehrlich: Ein Buch ist für mich wie ein Akt der Fortpflanzung. Dafür kriegt man auch keinen Vorschuss. Aber viel Ärger bei schlechter Planung.
    Die Premiere in Hamburg war mager, und das kalte Buffet für den Presseempfang zahlte ich selbst, was aber kein Problem war, weil kaum jemand kam. Ich überlegte bereits, in welcher Pose ich auf dem Nacktfoto der BILD-Zeitung die beste Wirkung erzielen würde, doch dank wohlwollender Kritiken und einer Kette von Lesungen ging es zügig voran: Bereits im Erscheinungsjahr war eine Zweitauflage nötig, was mich so anspornte, dass der Nachfolgeband, Feuersteins Ersatzbuch, schon im Sommer 2001 auf dem Markt war. Natürlich wieder ohne Vorschuss. Aber auch ohne Nachschuss, weder für das erste Buch noch fürs zweite, und als tatsächlich mal ein Scheck kam, schickte ich den gleich wieder zurück, weil mir Gerd Haffmans so Leid tat, als er mir am Telefon von seinen Finanzproblemen erzählte.
    Vier Monate später meldete er Konkurs an.
    Ich kann ihm nicht böse sein. Er war ein genialer Visionär, zugleich ein weltfremder Illusionist. Er hatte den Riecher für interessante Bücher, aber zwei linke Hände fürs Geschäft. Manchen Autoren und Übersetzern, die existenziell von ihren Büchern abhängig waren, hat er übel mitgespielt, vor allem in der Schlussphase, als die Katastrophe längst absehbar war. Immer aberwitzigere Hoffnungsanker warf er aus und klammerte sich verzweifelt daran fest, immer breiter wurde der Sog der Abwärtsspirale, ganz knapp schrammte er am Rand des Betruges entlang.
    Was aber für ihn spricht: Wir alle wussten um seine angespannte Lage. Und er hat nie einen persönlichen Vorteil daraus gezogen, keine verschobenen Millionen in Rio, keine an den Gläubigern heimlich vorbeigebaute Luxusvilla auf den Bahamas, und auch die Bahncard nur für die zweite Klasse. Es tat richtig weh, ihm in den Tagen vor dem Absturz zu begegnen. Zwar funkelte aus seinen Augen immer noch die ungestillte Lust am Büchermachen, aber auf seinen Schultern lasteten Millionenschulden. Und so hockte er mit hängenden Armen und der trüben Miene eines Basset-Hunds da, voll Angst, dass man ihn etwas fragen könnte, bei dessen Antwort er lügen müsste, aber zugleich voll Hoffnung, dass man ihn trotzdem liebt.
    Ich liebe ihn trotzdem, denn er war ein Verleger nach meinem Geschmack. Er zelebrierte jedes seiner Bücher bis hin zu einem geradezu rührenden Ritual: Wenn ein neues herausgekommen war, trug er das erste Exemplar den ganzen Tag lang persönlich am Leib.
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