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Feuersteins Drittes

Feuersteins Drittes

Titel: Feuersteins Drittes
Autoren: Herbert Feuerstein
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Busenwunder der sechziger Jahre, doch es lohnte sich nicht wirklich, denn wenn sie aus der Dusche stieg, sah man nur Kopf und Hals.
    Aber auch ohne Busenwunder war es ein angenehmer Nebenjob: Ich fraß mich durch diplomatische Empfänge, fuhr einen genervten Helmut Qualtinger einen halben Tag lang durch die Stadt, kam völlig zu Unrecht in den Ruf eines Intimkenners der österreichischen Politik, genoss aber zu Recht das Wohlwollen von Bundeskanzler Josef Klaus, der mich sogar in Privataudienz am Wiener Ballhausplatz empfing, und habe heute noch das Dokument der letzten Amtshandlung von Bundespräsident Adolf Schärf in meinem stolzen Besitz, unterzeichnet an seinem Todestag am 22. Februar 1965: eine Grußbotschaft an meine Zeitung.
    Sogar meinen ersten Job später in Deutschland verdankte ich der österreichischen Diplomatie, zumindest die Höhe des Gehalts. Ich hatte damals — als einer meiner tausend Nebenjobs — auch für die Satirezeitschrift Pardon geschrieben, als deren Herausgeber Hans Nikel New York besuchte. Natürlich legte ich ihm meine Stadt zu Füßen, und als ich ihn in einen der damals in Mode kommenden Esoterik-Tempel schleppte, wo man sich in einer Dunkelkammer nackt auszieht, eine Leinenkutte erhält und dann zu Sitar und Om-Gestöhn ekstatisch tanzt, war er noch mehr beeindruckt als vor ihm der gute Daniel Keel: Allen Ernstes bot er mir an, die Leitung seines Buchverlags in Frankfurt zu übernehmen.
    Zum entscheidenden Gespräch lud ich ihn ins Generalkonsulat ein. Aber nicht in meine Dachkammer, sondern — mit Hilfe der eingeweihten Sekretärin — in das Amtszimmer des Konsuls, der gerade auf Dienstreise war. Ich bat ihn auf das samtene Gästesofa, setzte mich an den goldweißen Barock-Schreibtisch und schlug unter dem mütterlichen Blick von Kaiserin Maria Theresia gelassen, fast gelangweilt, mein Gehalt vor: »4000 Mark würden fürs Erste reichen!«
    Eingeschüchtert von der Umgebung nickte er, fügte aber vorsichtig hinzu: »Ein so tolles Arbeitszimmer kann ich Ihnen in Frankfurt leider nicht versprechen.« Mit einer lockeren Handbewegung deutete ich an, dass ich über solche Äußerlichkeiten erhaben sei, und dann schlugen wir ein — eine Wahnsinnssumme für das Jahr 1969 und ein Triumph über den als superknausrig bekannten Nikel. Dass der Verlag drei Jahre später Pleite ging, lag aber nicht nur an der Höhe meines Gehalts.
    Dieweilen hatte Pressesekretär Zundritsch, mein Gönner, Großes mit mir vor: Ohne mich zu fragen, stellte er in Wien den Antrag, mich in den konsularischen Dienst zu übernehmen, mich zu »verbeamten«. Das war zwar ungewöhnlich, aber auf dem Umweg des Pressedienstes in Ausnahmefällen möglich. Damit wäre ich Diplomat geworden, und bei meiner Begabung bestimmt auch bald Konsul oder Botschafter, und wer weiß, vielleicht auch noch UNO-Generalsekretär wie unser damaliger Konsul Kurt Waldheim, von dessen zwielichtiger NS-Vergangenheit zu diesem Zeitpunkt ja noch keiner von uns was ahnte.
    Meinen Zeitungsjob hatte ich bereits gekündigt, als ich zum Konsulat fuhr, um auch dort meinen Abschied anzumelden.
    »Gratuliere«, strahlte mir Herr Zundritsch entgegen, »gerade hab ich von Wien Bescheid gekriegt: Sie können bei uns einsteigen!« Zollfreier Einkauf das ganze Jahr, eigener Schalter bei der Passkontrolle, Immunität bei Ladendiebstahl, Hofrat-Titel, Verdienstorden, fette Pension, Staatsbegräbnis... Der österreichische Traum rückte in greifbare Nähe. Wie könnte ich das ablehnen?
    Ich tat es trotzdem, mein Entschluss war gefasst. Und so kommt es, dass ich heute nicht UNO-Generalsekretär bin. Obwohl ich wüsste, wie’s geht. Denn immerhin habe ich von seinem Platz aus, auf der Tribüne der Generalversammlung, eine Rede gehalten. Dank der Hilfe meines einzigartigen Freundes Godehard Wolpers. An unserem sechsten Drehtag.
    Schon am Vortag waren wir zur Akkreditierung angetreten, mit Fragebogen, Ausweis und Fotoregistrierung, jeder bekam ein Plastikschild mit Konterfei und Registriernummer um den Hals und ein Bändchen ums Handgelenk zum Durchschreiten privilegierter Seitentüren.
    Um sieben Uhr am Morgen des nächsten Tages standen wir am Spalier der Fahnenmasten entlang der Ersten Avenue bereit. Genau um diese Zeit werden die Flaggen der 185 Mitgliedsstaaten gehisst, nachmittags um vier wieder eingezogen. Routiniert, aber mit der ernsten Miene eines Staatsaktes, besorgen dies mehrere Zweier-Teams von UNO-Offizieren, denn das 17 Hektar große Gelände am
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