Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger
Autoren: Charlo von der Birke
Vom Netzwerk:
Émile Zola
    Der Todschläger

    Roman
    Band 7 - der RougonMacquart
    Der Totschläger; (L'Assommoir 1877)
    Natur- und Sozialgeschichte einer Familie
    unter dem
    Zweiten Kaiserreich

    TUX - ebook 2010

    DER TODSCHLÄGER
    Vorwort
    Die RougonMacquart sollen aus etwa zwanzig
    Romanen bestehen. Der allgemeine Plan steht
    seit 1869 fest, und ich befolge ihn mit
    äußerster Strenge. Der Totschläger ist zu dem
    für ihn vorgesehenen Zeitpunkt gekommen,
    ich habe ihn geschrieben, wie ich die anderen
    Romane schreiben werde, ohne mich eine
    Sekunde von meinem geraden Weg abbringen
    zu lassen. Das eben macht meine Stärke aus.
    Ich habe ein Ziel, auf das ich zugehe.
    Als Der Totschläger in einer Zeitung erschien,
    ist er mit beispielloser Brutalität angegriffen,
    denunziert und aller Verbrechen bezichtigt
    worden. Ist es wirklich nötig, hier in wenigen
    Zeilen meine Absichten als Schriftsteller zu
    erklären? Ich habe das schicksalhafte
    Verkommen einer Arbeiterfamilie in der
    verpesteten Umwelt unserer Vorstädte
    schildern wollen. Am Ende von Trunksucht
    und Müßiggang stehen die Lockerung der
    Familienbande, der Unrat des engen
    Beisammenwohnens der Geschlechter, das
    fortschreitende Vergessen anständiger
    Empfindungen, dann als Lösung Schande und
    Tod. Das ist einfach in Aktion befindliche
    Moral.
    Der Totschläger ist ganz gewiß das keuscheste
    meiner Bücher. Oft habe ich an viel
    entsetzlichere Wunden rühren müssen. Allein
    die Form hat Bestürzung hervorgerufen. Man
    hat sich über die Ausdrücke geärgert. Mein
    Verbrechen besteht darin, daß ich die
    literarische Neugier gehabt habe, die Sprache
    des Volkes zu sammeln und in eine gut
    ausgearbeitete Form zu gießen. Ach ja, die
    Form – hierin liegt das große Verbrechen!
    Dabei gibt es Wörterbücher dieser Sprache,
    Gebildete studieren sie und erfreuen sich an
    ihrer Unverblümtheit, an dem Unverhofften
    und der Kraft ihrer Bilder. Sie ist ein Schmaus
    für die herumspürenden Sprachforscher.
    Gleichviel, niemand hat geahnt, daß es mein
    Wille war, eine rein philologische Arbeit zu
    leisten, von der ich glaube, daß sie von
    lebhaftem historischem und sozialem Interesse
    ist.
    Im übrigen verteidige ich mich nicht.
    Verteidigen wird mich mein Werk. Es ist ein
    Werk der Wahrheit, der erste Roman, über das
    Volk, der nicht lügt und der den Geruch des
    Volkes atmet. Und man darf keinesfalls
    folgern, das Volk in seiner Gesamtheit sei
    schlecht, denn meine Gestalten sind nicht
    schlecht, sie sind nur unwissend und durch die
    Umwelt von schwerer Arbeit und Elend, in der
    sie leben, verdorben. Nur müßte man meine
    Romane lesen, sie verstehen, klar ihre
    Gesamtheit sehen, bevor man die fertigen,
    grotesken und gehässigen Urteile fällt, die
    über meine Person und über meine Werke im
    Umlauf sind. Ach, wenn man wüßte, wie sehr
    sich meine Freunde über die verblüffende
    Legende erheitern, mit der man die Menge
    belustigt! Wenn man wüßte, wie sehr der
    Blutsäufer,

    der

    blutdürstige
    Romanschriftsteller ein biederer Bürger ist, ein
    Mann des Studiums und der Kunst, der brav in
    seinem Winkel lebt und dessen einziger
    Ehrgeiz es ist, ein Werk zu hinterlassen, das so
    umfassend und so lebendig wie nur möglich
    ist. Ich verleugne keine Erzählung, ich arbeite
    und stelle es der Zeit und der Redlichkeit der
    Allgemeinheit anheim, mich endlich unter dem
    Wust der angehäuften Dummheiten zu
    entdecken.
    Emile Zola
    Paris, den 1. Januar 1877

    Kapitel I
    Gervaise hatte bis zwei Uhr morgens auf
    Lantier gewartet. Durch und durch fröstelnd,
    weil sie in der scharfen Luft am Fenster in der
    Unterjacke verharrt hatte, war sie dann, quer
    über das Bett hingeworfen, fiebernd und mit
    tränenüberströmten Wangen eingeschlafen.
    Seit acht Tagen schickte er sie, wenn sie aus
    dem »Veau à deux têtes«1 kamen, wo sie ihre
    Mahlzeiten einnahmen, mit den Kindern
    schlafen und erschien erst spät in der Nacht
    wieder, wobei er erzählte, er habe Arbeit
    gesucht. Während sie an diesem Abend nach
    seiner Heimkehr ausspähte, glaubte sie
    gesehen zu haben, wie er in das Tanzlokal
    »Grand Balcon«2 ging, dessen zehn
    flammende Fenster das schwarze Strömen der
    äußeren Boulevards mit der breiten Fläche
    einer Feuersbrunst erhellten. Und hinter ihm
    hatte sie die kleine Adèle bemerkt, eine
    Poliererin, die im selben Restaurant wie die
    Lantiers zu Abend aß und die mit
    schlenkernden Händen in fünf oder sechs
    Schritt Abstand hinterdrein gekommen war,
    als
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher