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Das alte Siegel

Das alte Siegel

Titel: Das alte Siegel
Autoren: Adalbert Stifter
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1. Die Berghalde
     
    Veit Hugo Evaristus Almot war der einzige Sohn eines uralten noch aus den Zeiten Laudons und Eugens stammenden Kriegers, der ebenfalls den Namen Veit Hugo führte, und welcher Krieger, nachdem er glücklich den Schwertern und Spießen der Türken entgangen war, zuletzt noch in bedeutend vorgerückten Jahren in die Gefangenschaft eines schönen Mädchens gerieth, welcher er nicht entging; daher er das Mädchen zur Frau nahm, dieselbe auf seinen Landsitz ins Hochgebirge führte, und mit ihr sein Söhnlein Veit Hugo erzielte. Er lebte darnach noch eine Reihe von Jahren in die Zeit hinein, so daß ihm sogar sein liebes Weiblein, obgleich es viel jünger war, als er, in die Ewigkeit vorausging, so wie ihm bereits alle Kameraden und Freunde vorausgegangen waren.
    Ungleich vielen Kriegern seiner Zeit hatte er sich so viele wissenschaftliche und Staatsbildung eigen gemacht, als damals möglich war, und da er seinen Sohn selber unterrichtete und erzog, weil er meinte, daß es niemand so gut zu thun vermöchte, als er, so trug er alles, was er wußte, auf diesen über. Freilich wäre bei dem indessen vorgerückten Stande der Wissenschaften mancher Andere gewesen, der den Unterricht weit besser hätte führen können, als er; allein neben dem Unterrichte gab er seinem Sohne unversehens auch ein anderes Kleinod mit, welches ein Fremder nicht hätte geben können, nemlich sein eigenes einfältiges, metallstarkes, goldreines Männerherz, welches Hugo unsäglich liebte, und unbemerkt in sich sog, so daß er schon als Knabe etwas Eisenfestes und Altkluges an sich hatte, wie ein Obrist des vorigen Jahrhunderts, aber auch noch als Mann von zwanzig Jahren etwas so einsam Unschuldiges, wie es heut zu Tage selbst tief auf dem Lande kaum vierzehnjährige Knaben besitzen. Das Herz und seine Leidenschaften waren bei dem Vater schon entschlummert, daher blieben sie bei dem Sohne ungeweckt und ungebraucht in der Brust liegen, und er hatte von dem Vater sonst nichts geerbt, als den Tag für Tag gleichen Frohsinn und die Freude an der Welt. Von der Mutter hatte er die ungewöhnliche Schönheit des Körpers und Antlitzes bekommen, die sie einst in ihrem Leben ausgezeichnet hatte, und diese Schönheit entwickelte sich an ihm, da er empor wuchs, so daß die Blicke aller Menschen mit Wohlgefallen an dem Knaben hafteten, und daß er als Jüngling, obgleich er selbst noch nichts anderes liebte, als den Vater und die ganze Welt, doch an manchen Stellen, wohin der Himmel seines Auges leuchtete, bereits die heißeste Liebe entzündet hatte, davon er selber nie etwas wußte.
    Als er auf diese Weise ein und zwanzig Jahre alt geworden war, gab ihm der Vater ein Päckchen mit Goldstücken, einen Empfehlungsbrief, mehrere gute Lehren, und sagte, daß er mit allem diesem jetzt in die Hauptstadt gehen müsse.
    »Veit,« sagte er, »du hast nun von mir genug gelernt, ich weiß nichts mehr weiter. Du mußt nun in die Welt gehen und auch das Deine thun. Gieb diesen Brief da dem alten Feldobristen, auf den er lautet, er wird dir, wenn er noch lebt, an die Hand gehen; schau auf das Geld, wir haben nicht viel, aber was ein ehrlicher Mann braucht, werde ich dir immer senden; sieh zu, daß du noch etwas lernest, das dir gut thut, denn jetzt braucht man viel mehr, als ehedem, weil die Welt aufgeklärter geworden ist; dann, wenn du ausgelernt hast, mußt du auch, wie ich dir immer gesagt habe, auf der Erde etwas wirken - es sei, was es wolle, ich rede dir da nichts ein, aber gut muß es sein, und so viel, daß es einer Rede werth ist, wenn man einmal Abends bei seinem eigenen Ofenfeuer beisammen sitzt, hörst du, Veit! - Dann kannst du in dein Haus zurückkommen, es trägt schon so viel, daß davon ein strenger Mann leben kann, und sein Weib auch, und eine Handvoll Kinder auch noch und mancher Gast dazu, der zu dir übers Gebirge steigt. So - jetzt geh und lasse den gesattelten Rappen nicht zu lange warten, ich konnte das nie leiden, mein Bruder, der Franz, dein Oheim, hat es immer gethan, darum haben sie ihn auch bei Karlowitz niedergeschossen, weil er wieder zu spät aufgebrochen ist, wie sonst. Schreib' oft, Veit, wenigstens jeden Monat einmal, und vergiß mich nicht, und sei kein Narr, wenn du einmal hörst, daß ich gestorben bin.«
    Nach diesen Worten stand der Knabe, der schon wußte, daß er jetzt fort ziehen werde, und bereits dazu vollkommen ausgerüstet war, auf, und ging an der Hand des Vaters, der ihn führte, aus dem Hause hinaus. Sie
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