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Ewige Nacht

Ewige Nacht

Titel: Ewige Nacht
Autoren: Ilkka Remes
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Schwarzweißaufnahme hängen, auf der eine junge afrikanische Frau vor der Kamera kokettierte.
    Er erkannte seine Führerin vom Mwanga sofort wieder, obwohl sie auf dem Bild mindestens fünfzig Jahre jünger war. Diese Entdeckung elektrisierte ihn.
    Sakombis Mutter.
    Auf einer anderen Aufnahme posierte ein aufrechter Mann mit weißem Tropenhelm, weißem Hemd und Leinenhose, mit stolzgeschwellter Brust, die Hände energisch in die Seiten gestemmt. Das Gesicht strahlte eine unglaublich blasierte Überheblichkeit aus.
    »Komm hierher!«, rief Ralf mit einer Stimme, die Timo sofort loslaufen ließ.
    »Wo bist du?« Timo kam in die Halle.
    »Neben der Küchentür die Treppe hinunter!«
    Timo rannte zu dem kurzen Gang. Bevor er die Treppe hinunterlief, warf er einen Blick in die Küche. Noch nie hatte er eine alte Küche gesehen, die in so gutem Zustand war. Sie war Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts für den Gebrauch durch Dienstmädchen geplant worden.
    Die Treppe nach unten war breit und sauber, der Keller hoch und geräumig, die Wände waren gekalkt, der Boden mit den gleichen Keramikkacheln gefliest wie oben.
    »Wo bist du?«, fragte Timo erneut, während sich seine Augen an das Halbdunkel unter der schwachen Deckenlampe gewöhnten.
    »Hier«, sagte Ralf.
    Instinktiv verlangsamte Timo seinen Schritt, als er auf die Tür zum nächsten Raum zuging. Ralf stand unmittelbar dahinter, und Timo sah zunächst nur seinen Rücken. Erst als Ralf zur Seite trat, konnte Timo den gesamten Raum mit den Backsteinwänden überblicken.
    Der Anblick schockierte ihn: In Regalen aus ungehobelten Brettern lagen Gegenstände aus Afrika, allerdings völlig andere als oben im Haus: ein ganzer, vergilbter Stoßzahn eines Elefanten, ein ausgestopfter Affe von der Große eines Hundes, alte Waffen, rostige Fesseln, eine Chicotte -Peitsche und etwas, das Timos Blick magnetisch anzog.
    Er schluckte. In einem Korb lagen mumifizierte Hände.
    »Was ist das für ein Mensch, der so etwas aufbewahrt?«, flüsterte er.
    Hinter ihnen fiel die Tür zu. Timo erschrak und schnellte herum.
    Vor ihm stand Sakombi Ladawa, mit roten Augen und mit einer Maschinenpistole in der Hand. »Das wirst du bald sehen, was das für ein Mensch ist.«
    55
    In der Metro, die im Tunnel zwischen den Stationen Schuman und Mérode stand, hatte die Menschenmasse allen Sauerstoff aufgebraucht. Durch die kleinen Fenster kam nicht ausreichend Luft hinein. Die Temperatur lag bei mindestens dreißig Grad.
    Aaro stand in der Mitte des Wagens, feuerrot und schweißnass. Warum half ihnen niemand?
    »Mir ist schwindlig«, sagte Reija wieder. Sie hielt die Haltestange so fest umklammert, dass ihre Finger weiß waren.
    »Halt durch«, sagte Aaro mit schwacher Stimme. Er ließ seinen Blick durch den Waggon wandern.
    »Excusez-moi …«, sagte er auf einmal laut und drängte sich zu einem der Fenster vor.
    »Pardon«, murmelte er, als er hinter einem älteren Paar auf die Sitzbank stieg. Er streckte sich nach dem Hammer, der neben dem Aufkleber, der den Notausstieg markierte, in einer Halterung angebracht war, und schlug die Scheibe ein. Er hatte einmal eine Meldung über einen Fahrgast des Eurostar-Tunnelzugs gelesen. Der hatte es genauso gemacht, als der Zug wegen einer technischen Störung bei verschlossenen Türen und mit ausgefallener Klimaanlage stehen geblieben war.
    Aaros Tat löste ein Raunen unter den Fahrgästen aus, aber man spürte deutlich die Erleichterung.
     
    Sakombi Ladawa stieß Timo den Lauf der Maschinenpistole in den Rücken und dirigierte ihn hinter Ralf her zur Tür gegenüber.
    Timo wäre fast über die Schwelle gestolpert, als er in den etwas tiefer liegenden Keller trat. Sein Herz schlug so heftig wie nie zuvor in seinem Leben.
    In dem Raum saß ein grauhaariger Greis, aufrecht und den wachen Blick auf Timo geheftet, die Hände hinter dem Rücken gefesselt, auf dem Gesicht derselbe blasierte Hochmut wie auf dem fünfzig Jahre zuvor aufgenommenen Foto im Erdgeschoss. Kinn und Wangen verrieten ihn sofort als Sakombis Vater. Sein Gesicht war von Falten übersät, aber man spürte noch immer, welche Härte und Energie von ihm ausging. Er saß auf einer alten Kiste, und seine Füße waren mit afrikanischen Fußeisen gefesselt, die durch eine Kette miteinander verbunden waren.
    Plötzlich hörte man ein scharfes elektronisches Jaulen.
    Zuerst dachte Timo, die Alarmanlage sei wieder angesprungen, doch dann begriff er, dass der Ton von seinem Gammadetektor
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