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Ewige Nacht

Ewige Nacht

Titel: Ewige Nacht
Autoren: Ilkka Remes
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    Deutsche Erstausgabe
     
    Oktober 2005
    Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
    www.dtv.de
    © 2003 Ilkka Remes
    Titel der finnischen Originalausgabe:
    ›Ikiyö‹ (Werner Söderström, Helsinki 2003)
    © 2005 der deutschsprachigen Ausgabe:
    Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
    Umschlagkonzept: Balk & Brumshagen
    Umschlagbild: © F.B. Regös
    Satz: Fotosatz Reinhard Amann, Aichstetten
    Gesetzt aus der Aldus 10,75/13’
    Konvertiert : von Darkmon
    Druck und Bindung: Kösel, Krugzell
    Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier
    Printed in Germany ■ ISBN 3-423-24498-4
     
     
     
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    Prolog
     
    Noora sah die Waffe direkt auf sich gerichtet und ging unbeirrt weiter.
    »Giù«, rief der italienische Bereitschaftspolizist über den Lärm hinweg.
    In der Hitze hörte man ein rhythmisches, dumpfes Dröhnen. Demonstranten schlugen gegen die leeren Container, die zum Schutz der Staatsmänner herangeschafft worden waren. Um Anschläge vom Meer zu verhindern, hatte man Fährschiffe, die normalerweise zwischen Genua und Korsika, Tunesien oder Sardinien verkehrten, als Hafensperren vor Anker gehen lassen.
    »Die Erde ist nicht zu verkaufen! Die Erde ist nicht zu verkaufen! Die Erde ist nicht zu verkaufen …«
    Noora wischte sich den Schweiß vom Gesicht. Die Aknenarben waren unter der Bräune fast unsichtbar geworden. Oft kam sich Noora wegen ihrer Größe schwerfällig vor, jetzt aber sah sie nur die Vorteile ihrer Länge. Der Anblick der wogenden, bunten Menschenmenge verstärkte ihren Kampfeswillen. Sie sah all die Arbeiter, Studenten und Anarchisten, die gewaltlosen katholischen Gruppierungen, Aktivisten aus sozialistischen Parteien, Gewerkschaftsleute und ganz normale Bürger, über deren Leben die supranationalen Ausbeuter nicht mehr lange bestimmen würden. Auf Schildern und Transparenten leuchteten die bekannten Zeichen: Drop the Debt, World Wildlife Fund, ATTAC. Rote Fahnen, Prozentsymbole, Che-Guevara-TShirts, rote Stirnbänder.
    Sie waren Tausende, Zehntausende, niemand konnte eine solche Macht übersehen, heute in Genua, morgen in ganz Europa, übermorgen weltweit. Sie waren Sieger, und die Feiglinge, die sich hinter Zäunen verbarrikadiert hatten, würden ihnen schon bald zuhören.
    Noch aber war die italienische Regierung nicht bereit, mit ihnen zu verhandeln, die Demonstration war illegal. Die Polizei hatte die historische Innenstadt mit Zäunen und leeren Containern abgesperrt. In diese von 9000 Polizisten bewachte Rote Zone kam man nur an den Kontrollstellen und mit Passierschein hinein. Genua befand sich nahezu im Kriegszustand: Flughafen und Bahnhöfe waren geschlossen, alle Krankenhäuser in Alarmbereitschaft, die Schaufenster mit Brettern vernagelt.
    Noora richtete den Blick wieder auf die Reihen der Bereitschaftspolizisten. Ein paar Anarchisten waren auf die Container geklettert und schwenkten ihre schwarzen Fahnen. Mit ihren Parolen zerschnitten sie die schwüle, stehende Luft.
    »Geld und Polizei – dieselbe Schweinerei! Geld und Polizei – dieselbe Schweinerei …« – »One Solution: Revolution! One …«
    Etwas weiter weg erscholl ›Bandiera Rossa‹, das alte Lied der italienischen Kommunisten, das aber schon bald im Lärm der Polizeihubschrauber unterging.
    Carlo gab ein Handzeichen, und Noora schob sich mit den anderen weiter voran. Wie üblich hatten sie sich in Gruppen von zehn Leuten aufgeteilt, in denen sich alle dem Namen nach oder zumindest vom Sehen her kannten. Die Organisation in Gruppen war wichtig, denn dadurch wusste jeder, wo er bei Gefahr Zuflucht finden konnte. Am Abend zuvor hatten sie alle sich auf der stillen Piazza Ancona in die Augen geschaut, sich umarmt und auf die Aufgabe vorbereitet.
    In Prag hatten sie Erfolg gehabt: Weltbank und IMF hatten den dritten Versammlungstag absagen müssen, weil sich die Banker nicht getraut hatten, ihre Hotels zu verlassen.
    Heute sah es nicht so gut aus. Die Atmosphäre war gespannter, als Noora es je erlebt hatte. Gerüchten zufolge bewegten sich im Schatten der etablierten Protestgruppen auch gewaltbereite professionelle Hooligans. Außerdem waren im Vorfeld bereits vier Briefbomben gefunden worden. Die italienische Regierung hatte eine unmissverständliche Warnung ausgesprochen: Gewalt würde mit Gewalt beantwortet werden.
    Carlo hob die Hand, und zu Nooras Enttäuschung blieb die Gruppe stehen. Noora wäre gern ihre Anführerin gewesen. Dieser Carlo aus Bologna sah
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