Ewige Nacht
wie die Männer zu den Fahrzeugen eilten.
»Scheiße«, sagte Ralf kaum hörbar.
Die Verzweiflung, die dabei mitschwang, ließ Timo Panik empfinden. Sein Satellitentelefon klingelte. Es war das einzige funktionierende Telefon, die anderen drahtlosen Netze waren schon in der Nacht wegen Überlastung zusammengebrochen.
»Bist du noch in Tervuren?«, fragte Picards aufgeregte Stimme.
»Wir wollen gerade weg.«
»Ein Museumsmitarbeiter hat gesagt, er habe einen Mann beobachtet, der sich die Wasserbecken verdächtig genau angesehen habe. Willst du mit ihm sprechen?«
»Ja.«
»Warte kurz.«
»Warum nimmt man keine Freiwilligen, um die Suche fortzusetzen?«, fragte Ralf.
»Alle, die hierher gekommen sind, haben sich schon freiwillig gemeldet.«
»Hallo?«, kam es aus dem Telefon.
»Erzählen Sie mir möglichst genau, was Sie gesehen haben, wo und wann«, sagte Timo.
»Ah, ich erinnere mich nicht genau«, sagte ein Mann in holprigem Französisch. »Letzte Woche hatte ich Spätschicht, da habe ich einen Mann gesehen …«
»Welches Alter?«
»Jung. Fast ein Bub.«
»Weiter«, sagte Timo enttäuscht. Sakombi selbst kam also nicht infrage, aber vielleicht hatte er Helfer.
»Er hat mit der Lampe herumgeleuchtet und mit einem Stock gestochert.«
»An welchem Teich?«
»An mehreren.«
»Danke für die Information.« Timo unterbrach die Verbindung.
»Was hat er gesagt?«, wollte Ralf wissen.
»Aufgrund solcher diffuser Mitteilungen können wir nicht mit dem Absuchen der Teiche weitermachen.«
Wilson winkte ihm vom TERA-Auto aus zu, der Pilot vom Hubschrauber. Es war Zeit, Brüssel zu verlassen.
Timo kämpfte gegen das Entsetzen an. Er durfte der Panik keinen Raum geben, er musste sie bis zum Schluss im Zaum halten.
Wieder klingelte sein Telefon. Er riss es ans Ohr und beobachtete gleichzeitig, wie Wilson mit dem Hubschrauberpiloten sprach.
»Hier ist Picard. Wir haben jetzt genauere Informationen zu Sakombi Ladawa. Sein Vater ist ein Belgier namens Eugène Doneux. Er war in jungen Jahren bei der Société Anversoise du Commerce au Congo angestellt und leitete eine Gummi-Sammel-Station in Kasai, bis er sich als Zwischenhändler selbstständig machte. Er verdiente ein Riesenvermögen im Handel mit Elfenbein und Rohgummi.«
»Warte …« Timo sah Ralf an. »Sagt dir der Name Doneux etwas? Eugène Doneux? Hat Sakombi ihn einmal erwähnt?«
Ralf schüttelte den Kopf. Der Pilot kam im Laufschritt auf sie zu.
»Wo wohnt er?«, fragte Timo.
»Das klären wir gerade.«
»Warte«, sagte Ralf. »ED … Eugène Doneux … In Sakombis Füller war ED eingraviert. Er war aus Elfenbein. Andererseits hat er irgendwann gesagt, er habe seinen Vater nie gesehen …«
»Hier kommt die Adresse«, sagte Picard.
Timo zog Stift und Papier aus der Tasche. Der Pilot stand bereits mit nervösem Blick neben ihm.
»Villa Eden … Rue des Montagnes … Boitsfort«, wiederholte Timo. »Schickt sofort eine Streife mit Gammadetektor hin«, sagte er und lief zu Wilsons Auto, das bereits im Rückwärtsgang auf das Tor zufuhr.
Der Pilot lief ihm hinterher. »Ich habe die Genehmigung von Wilson, das Gebiet sofort zu verlassen«, keuchte er.
Wilson hatte Timo bemerkt, denn er hielt an und stieg aus. »Was ist?«
»Sakombi Ladawas Vater wohnt in Boitsfort. Ich muss da hin.«
»Ich verstehe deinen Wunsch«, sagte Wilson mit Blick auf die Uhr, »aber man kann jetzt niemanden zwingen …«
»Ich zwinge niemanden«, sagte Timo gereizt. »Ich habe gerade gesagt, dass ich da hinmuss.«
Wilson schaute den Piloten an. »Du entscheidest. Kannst du noch nach Boitsfort fliegen?«
Der Pilot machte den Eindruck, als wäre er am liebsten auf der Stelle so weit aus Brüssel hinausgeflogen, wie der Treibstoff reichte, aber er zwang sich zu sagen: »Wenn es für notwendig gehalten wird. Und wenn es nicht lange dauert.«
Timo rannte zum Helikopter, Ralf hinterher.
54
Die Villa Eden lag im Schatten von Buchen, Platanen und Kastanien inmitten eines Gartens. Timo sah sich das Gebäude unter ihm im Scheinwerferkegel des Hubschraubers genau an. An der Südecke ragte ein Turm mit einem Kupferdach auf. Angesichts des Bauherrn handelte es sich wahrscheinlich um Kupfer aus dem kongolesischen Katanga.
»Die Bäume stehen zu dicht«, rief der Pilot. »Wir können hier nicht landen.«
»Dann suchen wir in der Nähe eine andere Stelle«, entgegnete Timo.
Der Helikopter flog weiter. Eine Rabenkrähe flatterte von einem Magnolienbaum auf und
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